Aussergewöhnliche Menschen: Eine Wochenendserie
Mirjam Businger: «Der Tod ist mein Lehrmeister»
publiziert: Samstag, 5. Dez 2015 / 09:20 Uhr / aktualisiert: Montag, 7. Dez 2015 / 16:56 Uhr

Man hätte der adretten Dame sicher Model gegeben, klar. Und das macht sie nebenbei auch. Schauspielerin passt genau so, logo. Künstlerin - auf jeden Fall. Erst recht, wenn man ihre Skulpturen vor sich hat: chefmässiger scary Shit. Aber was zum Henker macht Frau Businger im real Death Business? Und wieso sagt sie so Zeug wie «Der Tod ist mein Lehrmeister»?

Mirjam Businger ist Schauspielerin (spielt u.a. Walter Freiwalds tapsige Assistentin bei Pocketsoul auf 20 Minuten), Künstlerin aus gut geschnitztem Holz - und macht Grabsteine. Richtig gelesen: Grabsteine. Und das mit Leidenschaft, King-Size-Know-How (dipl. Bildhauerin) und erdrückender Hingabe. Sehr ungewöhnlich, bei dieser Kosmopolitin, die ihre gefeierte Kunst jahrelang in angesehenen Galerien Berlins oder New Yorks ausgestellt hatte.

Ich habe in meinen fünfzehn Jahren Entertainment-Business so einiges gesehen: von Hinterhof-Gangstern über Metal-Schergen bis hin zu den abgefucktesten Punks, die frei herumlaufen. Und ich sass mit Fields-Of-The-Nephilim-Teufel Carl Mc Coy Schenkel an Schenkel stundenlang auf'm Sofa, trank und diskutierte mit ihm das wildeste Zeug - bis zur Morgendämmerung.

Das war aber nicht annähernd so abgefahren wie die Begegnung mit dieser umwerfend lebensweisen 35-jährigen Friedhof-Amazone aus dem Berner Mattenquartier. Lesen Sie hier ein möglicherweise irritierendes Gespräch über Leben, Tod, die Beziehung zu Grab-Kunden und sonstigen Wahnsinn.

Scheiss auf Schawinski, aber die Einstiegsfrage ist gut: Wer bist Du?
Ich bin Steinbildhauerin und machte schon früh meine eigenen Bronzestatuen. So altes archaisches Zeugs. Mit Hörnen. Schlangen. Pentagrammen. Ich versuche mit meinem kunsthistorischen Background auch den Link zu unserer Existenz herzustellen. Bin dabei mein eigenes Model - schliesslich bin ich immer verfügbar.

M'kay. Was machst Du denn gerade?
Grabsteine.

Konjunktursicheres Business, oder? Gestorben wird immer.
Ja und nein. Gestorben wird immer, klar. Nur sind Grabmäler nicht mehr im Trend.

Wie bitte?
Ja, man streut viel eher Asche in nen See. Oder so.

Rückläufiges Business also?
Absolut. Ich bin ja auch nicht wegen der Kohle in diesem Geschäft. Sondern weil ich das am liebsten tue.

Wie jetzt?
Ich kann dabei das machen, was ich früher als Künstlerin veweigert hatte: auf den Kunden eingehen. Den Menschen spüren und ihm meine Kunst so zur Verfügung stellen, damit es ihn berührt.

Was ist die ungewöhnlichste Bestellung bisher?
Jede ist speziell, weil sie individuell ist. Und das letzte und einzig Fortwährende ist, was man für einen geliebten Menschen tut.

Gab's Menschen, die ein Verstorbenenportrait wollten?
Ja.

Und wie ist das für Dich, einen Toten wieder «zum Leben zu erwecken»?
Da sind wir eben bei dem, was ich meine. Diese Begegnungen, in gewisser Weise auch mit dem Verstorbenen, das geht unter die Haut. Man weiss, jeder ist mal dran. Da wirst Du demütig. Da ist massiver Respekt. Du fühlst dich lebendiger denn je.

Aber jetzt im Ernst: Du bist Mitte 30 und - soweit ich das beurteilen kann - lebensfroh, siehst toll aus, bist in der Blüte deines Lebens ... Warum tust Du Dir das an? Ist ja klar, dass wir alle mal in den Holzanzug steigen - aber das jeden Tag vor sich haben?
Ich sammelte schon als Vierjährige Murmeltierzähne und Skelette von toten Vögeln. Findste meine Entwicklung immer noch komisch? Ich hab mich schon immer mit dem Tod beschäftigt. Er ist der Zugang zum Leben. Ich wusste das schon als Kind. Wenn Dir bewusst ist, dass Du mal gehen musst, dann bist Du dankbarer für's Leben - und Du lebst es viel, viel intensiver. Glaub mir.

Wie könnte ich das nicht.
Schau, es kommt auch nicht von ungefähr, dass meine ersten Skulpturen okkulte Teile mit Hörnern waren. Nur solche Dinger.

Das machte schon H.R. Giger - ein Einfluss?
Überhaupt nicht. Der machte coole Sachen. Aber glaub mir, mein Zeug kommt tief aus mir heraus. Das ist ein Call, den ich bekomme - dann lass ich's raus. Das ist meine eigene Welt, die ich kreiere. Und das spüren die Menschen. Auf jeden Fall fühle ich mich verwandt mit lebenden oder toten Künstlern wie ihm, aber nochmal: in meiner Kunst kreiere ich meine Welt.

Okay: Deine Welt. Hängt die aber auch am Energienetzwerk, an das wir eigentlich alle angeschlossen sind? Oder kommst Du auch so gesehen aus deiner eigenen Welt?
Schön, dass Du das sagst, Sascha. Da bin ich genau bei Dir. Wir sind Energie und alle miteinander verbunden. Und wir müssen lernen, es zu begreifen - bevor es zu spät ist.

Könnte früher sein als uns lieb ist. Passiert grad Top-Scheisse im Akkord. Auf jedem planetarischen Zentimeter. Was heisst das für uns?
Jeder Mensch muss mal in sich gehen und die Quelle zu seinem eigentlichen Leben finden. Er muss sein Ego durchbrechen, das ist crucial. Sonst sind wir verloren. Denn wir reissen uns mit unseren Egos in einer Negativspirale gegenseitig runter. WEIL wir eben miteinander verbunden sind. Das ist die Hauptaufgabe der Menschheit: dass jeder sein Ego durchbricht.

Da ist ja noch das sogenannt Gute und Böse, in die Welt gesetzt von Religionsgründern, das viele Menschen beeinflusst.
Gut und Böse existieren nur in uns selber. Wir entscheiden. Himmel und Hölle liegen nicht ausserhalb von uns: Es ist unsere Geisteshaltung. Unsere Gedanken bestimmen, ob wir im Paradies oder in der Hölle leben. Wir sollten uns daher stets bemühen, jeden Gedanken zu beobachten und dann zu entscheiden, welchen wir ignorieren und welchen wir zulassen wollen.

Wie tun wir das?
Die Hörner, die ich auf die Menschenköpfe gesetzt habe, kannst Du doppelt deuten. Teufelshörner. Oder eben Antennen, durch die Du deine Stimme im Kosmos finden musst, wo Du mit allem vernetzt bist. Komm aus deinem kleinlichen Denken raus. Der Mensch hat ein viel grösseres Potential. Wir sind eigentlich viel genialer.

Präzisier bitte.
Alexander der Grosse hatte auf seinem Sterbebett erkannt, dass er all sein Anhäufen von Ruhm und Macht nach seinem Tod nicht mitnehmen konnte. Seine einzige Errungenschaft, die ihm tatsächlich blieb, war diese Erkenntnis. Und sein letzter Wille war es, dies seinem Volk mitzuteilen. Darum liess er einen Sarg mit zwei Aussparungen anfertigen, damit er darin nach seinem Tod mit offenen leeren Handflächen, nach oben durchgestreckt, durch die Stadt getragen werden konnte. Um so alle wissen zu lassen, dass der grosse Alexander mit leeren Händen von dieser Welt gegangen war.

Schöne Metapher. Dann sollten wir alle von ihm lernen.
Unbedingt! Wir bleiben seit Menschengedenken an unserer verdammten egoistisch-materialistischen Oberfläche hängen. Wir gehen nicht tiefer. Warum? Und wie lang geht diese Story schon? Fuckin endless! Menschen sind die einzigen Tiere, die die Erde zerstören können.

Bist Du deswegen aus der Ego-getriebenen Kunstszene raus?
Genau. Diese Welt ist mir zu oberflächlich. In dieser Welt will ich nicht leben. Da sterbe ich. Wenn Du die Welt verändern willst, kannst Du das mit jedem Atemzug und jedem Gedanken tun. Genau da, wo Du jetzt gerade bist. Jetzt, in diesem Moment.

Und beim Bauen von Grabsteinen?
Ja, auch da. Der Tod ist das Tor zum Leben. Und der, der trauert, wird quasi auch neu geboren - es fängt ein neuer Abschnitt an. Diese Person ist nicht mehr dieselbe. Das zu begleiten und zu helfen - das ist neben Schmerz auch viel Liebe und Herz. Ich bin erstaunt, was diese Leute in so Zuständen sagen - das ist pure Weisheit. Sowas gibt mir tausend mal mehr als irgendeine Cüpli-Party an einer Vernissage.

Dann weckt der Tod das Leben in Dir?
Noch mehr: Der Tod ist mein Lehrmeister.

(Sascha Plecic/news.ch)

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