Muttertag ist der Alptraum erwachsener Söhne

Von der automatischen Terminerinnerung per SMS über vorgefertigte Mutti-Gedichte bis hin zur Schnulze "Merci, dass es Dich gibt", die per Handy direkt ins Mutterherz gebeamt werden kann: Im Internet überschlagen sich auf "Männerseiten" die Angebote zur Bewältigung des Pflichttermins.

Die Tradition des Muttertags lässt sich bis ins England des 13. Jahrhunderts zurückverfolgen. In der Schweiz wird die fehlende Anerkennung der Mütter in Gesellschaft und Familie seit 1929 mit einem Ehrentag kompensiert.

Grüsse für 50 Millionen

Getröstet wird meist durch die Blume: Allein die Mütter in der Schweiz erhalten an diesem Tag Blumen im Wert von 40 bis 50 Millionen Franken. Eine Garantie für einen Ehrentag mit Happy End beinhalten die duftenden Grüsse aber nicht.

Zwar macht das Muttertags-Ritual nach Ansicht des Freiburger Psychotherapeuten Wolfgang Frech unter dem "psychohygienischen Aspekt der Schuldbefreiung" durchaus Sinn. Doch zusammenfinden werden Mütter und ihre Kinder am kommenden Sonntag eher nicht.

Denn gerade am Muttertag seien die Mutter-Kind-Beziehungen besonders verkrampft, "und einer der beiden verliert immer", hat Wolf beobachtet. Vor allem Söhne leiden aus Psychologen-Sicht an dem Konflikt.

Blumen und Mutterkreuz

Seine Hoch-Zeit erlebte der Muttertag im Dritten Reich; wie er damals politisch instrumentalisiert wurde, macht eine Notiz in der Verbandszeitung der Deutschen Blumenhändler von 1934 deutlich.

Dort heisst es mit Blick auf die Emanzipationsbestrebungen der Frauen in den 20er Jahren: "Das Ziel der Regierung, die Familie zu harmonischem Familienleben zurückzuführen, wird durch Feiertage wie den Muttertag am besten erreicht." Die Nazis ehrten die biologische Funktion der Frau ab 1939 mit dem "Mutterkreuz".

Heim und Herd

Für viele Angehörige der älteren Generation kreist das Rollen- und Selbstverständnis von Müttern weiter um Heim und Herd. "Bei älteren Frauen ist das extrem. Sie bauen ihren Kindern gegenüber am Muttertag eine riesige Erwartungshaltung auf und hoffen, dann für ein Leben voller Entbehrungen emotional entschädigt zu werden", berichtet Wolf.

Entsprechend gross sei die Frustration, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt würden. Für junge und emanzipierte Frauen habe der Muttertag demgegenüber längst an Bedeutung verloren.

Schuld und Sühne

Der Freiburger Psychotherapeut Frech kann am Muttertags-Ritual auch Gutes finden. "Kinder haben ganz zu Recht Schuldgefühle gegenüber ihren Müttern", sagt er. "Und an solch einem Tag können sie sich rituell aus ihrer Schuld befreien."

Dass die ältere Müttergeneration noch immer mehr erwarte, als die meisten Kinder zu bringen vermögen, sei allerdings ein unlösbarer Konflikt. Frechs Ratschlag an gestresste Söhne und Töchter: "Sich mit Heiterkeit wappnen und die Mütter akzeptieren, so wie sie sind."

(bb/sda)