Interview mit Lorenzo Vinciguerra
Nach Geiselhaft zurück im Alltag
publiziert: Donnerstag, 19. Mrz 2015 / 15:15 Uhr

St. Gallen - Drei Monate nach seiner Flucht aus der Geiselhaft der Terrorgruppe Abu Sayyaf auf den Philippinen ist Lorenzo Vinciguerra im Alltag angekommen. «Ich reite auf einer Welle des Glücks und habe die Schatten des Bösen auf der Insel zurückgelassen», sagte vor den Medien.

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Sichtlich gezeichnet, abgemagert und mit einer zehn Zentimeter langen Narbe auf der linken Gesichtshälfte erzählte der 49-jährige Ostschweizer am Donnerstag, wie es ihm seit seiner Rückkehr ergangen ist. Dem Hobby-Ornithologen war im Dezember 2014 die Flucht aus den Fängen seiner Entführer gelungen. Kurz vor Weihnachten kehrte er nach dreijähriger Geiselhaft auf den Philippinen nach Hause zurück.

«Das schönste ist, dass ich wieder mit meiner Familie und meinen Freunden zusammen sein kann und dass ich meine Arbeit als Tierpräparator wieder habe», sagte der dreifache Familienvater an einer Medienorientierung an seinem Arbeitsort im Naturmuseum St. Gallen.

Kinder kaum wiedererkannt

Seine beiden jüngeren Kinder waren fünf und sechs Jahre alt, als der Hobby-Ornithologe am 1. Februar 2012 zusammen mit seinem niederländischen Freund entführt worden war. «Hätte ich meine Kinder nach der Rückkehr auf der Strasse gesehen, ich hätte sie nicht wiedererkannt», erzählte der Familienvater, der auch eine bereits erwachsene Tochter hat.

Anfangs habe es geschmerzt, wenn seine Kinder ihn umarmen wollten. «Ich hatte ein kaputtes Knie, einen Leistenbruch, die Verletzung im Gesicht und mir fehlen immer noch mehrere Zähne.» Durch die erzwungene Bewegungslosigkeit während der Gefangenschaft, hätten sich seine Muskeln stark zurückgebildet. Sobald er sich von den Operationen erholt habe, werde er zu trainieren anfangen. «Ich möchte im Sommer mit meiner Familie wandern gehen», sagte Vinciguerra.

Keine Albträume

Er sei glücklich, jeden Morgen in einem weichen Bett aufzuwachen und wieder einen normalen Alltag zu haben. Bisher habe er keine Albträume gehabt. Er fühle sich wohl und habe die psychologische Hilfe, die ihm angeboten wurde, nicht in Anspruch genommen.

Er verzichte bewusst darauf, Nachrichten aus der Welt, insbesondere von den Philippinen, zu hören. Es schmerze ihn, dass sein Freund zu schwach war, um mit ihm fliehen zu können. Er mache sich grosse Sorgen um den 55-Jährigen, der immer noch in den Fängen der Terroristen sei. «Ich bin sicher, wir hätten die Flucht auch zusammen geschafft. Aber es war die Entscheidung meines Freundes, zu bleiben», sagte Vinciguerra.

Redeverbot

Über seine Gefangenschaft und die Flucht dürfe er gemäss einer Weisung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) nicht sprechen, sagte der Tierpräparator. Darüber sei er froh.

Er wolle nach vorne schauen und die schwierige Zeit hinter sich lassen. Vinciguerra stellte klar, dass er nach der Medienorientierung vom Donnerstag keine weiteren Auskünfte mehr geben werde.

Selber Schuld

Vinciguerra war Anfang Februar 2012 zusammen mit einem befreundeten Hobby-Ornithologen in die abgelegene Provinz Tawi-Tawi gereist, um seltene Nashorn-Vögel zu beobachten, obwohl das EDA seit Jahren vor Reisen in diese Region warnt.

Sie seien nicht blauäugig dort hin gereist und hätten einen vom Staat anerkannten Führer dabei gehabt. «Ich wusste, dass die Fahrt nicht harmlos ist und mir war sofort bewusst, dass ich selber schuld bin an der Entführung», sagte Vinciguerra. Deshalb sei er auch ein wenig stolz darauf, dass er es aus eigener Kraft geschafft habe, freizukommen.

Frau glaubte an Rückkehr

Seine Frau habe die Familie und das gemeinsame Haus in Grub SG während seiner Abwesenheit über Wasser gehalten, indem sie so rasch wie möglich eine Arbeit suchte. «Ich bin unheimlich stolz auf meine Frau und darauf, wie sie die schwierigen Zeit gemeistert hat.» Sie habe immer an seine Rückkehr geglaubt und die Krankenversicherungs- und AHV-Prämien bezahlt.

Vinciguerra arbeitet in einem 60 Prozent-Pensum als Tierpräparator für das Naturmuseum St. Gallen. Er sei sehr glücklich und dankbar, dass sein Arbeitgeber seine Stelle frei gehalten habe. Vorläufig werde er sich auf seinen Alltag in der Schweiz und beruflich auf die einheimische Fauna konzentrieren. Es wird eine Weile dauern, bis er sich wieder in die Welt ausserhalb Europas wage.

(bg/sda)

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