Nachrichtendienst: Mehr Kompetenzen per Notrecht
Bern - Nach den Terroranschlägen in Europa fordern Politiker, der Schweizer Nachrichtendienst müsse rasch mehr Kompetenzen erhalten - wenn nötig per Notrecht. Der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet verlangt zudem einen besseren Informationsaustausch mit dem Ausland.
Mit der Gesetzesrevision sollen die Kompetenzen des Nachrichtendiensts des Bundes (NDB) wesentlich erweitert werden. So dürfte dieser etwa Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen. Auch wäre es ihm erlaubt, grenzüberschreitende Signale aus Datenübertragungskabeln zu erfassen.
Damit könnte der NDB endlich auch in der modernen Kommunikation aktiv werden, sagte Corina Eichenberger (FDP/AG), Präsidentin der SiK des Nationalrats, am Sonntag der Nachrichtenagentur sda. Das Gesetz sei insofern eine gute Lösung, als dass es die Instrumente des Nachrichtendienstes an die neuen Bedrohungen und Kommunikationsmittel anpasse.
Nach Ansicht von Eichenberger ist die Kontrolle der neuen Befugnisse gewährleistet. Für die einzelnen Überwachungsaktionen braucht der NDB eine Bewilligung des Bundesverwaltungsgerichts. Ausserdem muss der Sicherheitsausschuss des Bundesrats, bestehend aus den Vorstehern des Aussendepartements, des Militärdepartements und des Justizdepartements, zustimmen.
Volksabstimmung vielleicht im Herbst
Anders sehen dies JUSO-, Grünen-, und SP-Vertreter sowie Grundrechtsorganisationen. Aus Furcht vor einer Totalüberwachung haben sie erfolgreich das Referendum ergriffen. Ein Abstimmungstermin steht noch nicht fest. Doch Baumann und Eichenberger rechnen damit, dass das Nachrichtendienstgesetz bei einem Ja an der Urne frühstens Mitte 2017 in Kraft treten kann.
Gemäss Baumann könnte das Parlament dies mit einem dringlichen Beschluss beschleunigen. So könne man mindestens ein halbes Jahr Zeit gewinnen. Sollten die Stimmberechtigten dereinst die Gesetzesrevision ablehnen, würde die Inkraftsetzung rückgängig gemacht.
Eichenberger plädiert ebenfalls für ein rasches Inkrafttreten des NDG. Allerdings steht sie einem Entscheid per Notrecht kritisch gegenüber. «Wir müssen den demokratischen Prozess einhalten», sagte sie. Wenn die Verordnungen zum Gesetz rasch in den Kommissionen behandelt werden könnten, sei ein Abstimmungstermin im Herbst realistisch.
«Blind und taub»
Forderungen nach mehr Kompetenzen und Ressourcen für die Sicherheitsbehörden erhebt ausserdem der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (FDP). Der NDB habe europaweit einzigartig wenig Kompetenzen, sagte Maudet im Interview mit der «SonntagsZeitung». «Wir sind in der Schweiz blind und taub.»
Das neue Nachrichtendienstgesetz bezeichnete Maudet als «absolute Minimalvariante». Es brauche nun endlich eine öffentliche Debatte über Sicherheit und Persönlichkeitsrechte.
Zudem müsse der Informationsfluss zwischen den Nachrichtendiensten verschiedener Länder verbessert werden. Ein Ziel sei insbesondere, von Frankreich einfacher und systematischer über Erkenntnisse zu «radikalisierten Kreisen in Frankreich, aber auch im Raum Genf» informiert zu werden.
Es stelle sich aber die Frage, «ob die Nachrichtendienste die Mittel haben, allen Spuren nachzugehen». Die vom Bundesrat angekündigte Stellenaufstockung für den NDB werde etwa erst im April in den Kantonen wirksam. Eine zusätzliche Herausforderung für den Grenzkanton ist die im Juni beginnende Fussball-Europameisterschaft in Frankreich.
Anschauungsunterricht in Molenbeek
Ein Bild von der Terrorismusbekämpfung in Belgien will sich die Aussenpolitische Kommission (APK) des Nationalrats im Herbst machen. Die Reise soll eine APK-Delegation mit acht Mitgliedern auch in den als Islamistenhochburg geltenden Brüsseler Stadtteil Molenbeek führen, wie APK-Präsident Roland Rino Büchel (SVP/SG) zu einer Meldung der «SonntagsZeitung» sagte.
In Molenbeek gebe es eine Art «Ghettobildung», wie sie auch in Städten wie Paris, Marseille, Lyon oder Malmö zu beobachten sei. Ähnliche Tendenzen gebe es in Genf, Lausanne oder Zürich. «Da können wir etwas lernen», sagte Büchel. Daneben wollen die Aussenpolitiker auch die EU-Institutionen in Brüssel und den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg besuchen.
(asu/sda)
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