Terrorismus-Prävention

Nachrichtendienst: Mehr Kompetenzen per Notrecht

publiziert: Sonntag, 27. Mrz 2016 / 11:21 Uhr / aktualisiert: Sonntag, 27. Mrz 2016 / 14:44 Uhr
Sicherheitsdirektor Pierre Maudet: Der Schweizer Nachrichtendienst (NDB) habe europaweit einzigartig wenig Kompetenzen. (Archivbild)
Sicherheitsdirektor Pierre Maudet: Der Schweizer Nachrichtendienst (NDB) habe europaweit einzigartig wenig Kompetenzen. (Archivbild)

Bern - Nach den Terroranschlägen in Europa fordern Politiker, der Schweizer Nachrichtendienst müsse rasch mehr Kompetenzen erhalten - wenn nötig per Notrecht. Der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet verlangt zudem einen besseren Informationsaustausch mit dem Ausland.

6 Meldungen im Zusammenhang
«Wir haben eine aussergewöhnliche Situation in Europa, und dies verlangt nach ausserordentlichen Massnahmen», sagte Isidor Baumann (CVP/UR), Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats (SiK), zu einem Bericht der «NZZ am Sonntag». Konkret schlägt Baumann vor, das bereits vom Parlament verabschiedete neue Nachrichtendienstgesetz (NDG) noch vor der Volksabstimmung darüber dringlich in Kraft zu setzen.

Mit der Gesetzesrevision sollen die Kompetenzen des Nachrichtendiensts des Bundes (NDB) wesentlich erweitert werden. So dürfte dieser etwa Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen. Auch wäre es ihm erlaubt, grenzüberschreitende Signale aus Datenübertragungskabeln zu erfassen.

Damit könnte der NDB endlich auch in der modernen Kommunikation aktiv werden, sagte Corina Eichenberger (FDP/AG), Präsidentin der SiK des Nationalrats, am Sonntag der Nachrichtenagentur sda. Das Gesetz sei insofern eine gute Lösung, als dass es die Instrumente des Nachrichtendienstes an die neuen Bedrohungen und Kommunikationsmittel anpasse.

Nach Ansicht von Eichenberger ist die Kontrolle der neuen Befugnisse gewährleistet. Für die einzelnen Überwachungsaktionen braucht der NDB eine Bewilligung des Bundesverwaltungsgerichts. Ausserdem muss der Sicherheitsausschuss des Bundesrats, bestehend aus den Vorstehern des Aussendepartements, des Militärdepartements und des Justizdepartements, zustimmen.

Volksabstimmung vielleicht im Herbst

Anders sehen dies JUSO-, Grünen-, und SP-Vertreter sowie Grundrechtsorganisationen. Aus Furcht vor einer Totalüberwachung haben sie erfolgreich das Referendum ergriffen. Ein Abstimmungstermin steht noch nicht fest. Doch Baumann und Eichenberger rechnen damit, dass das Nachrichtendienstgesetz bei einem Ja an der Urne frühstens Mitte 2017 in Kraft treten kann.

Gemäss Baumann könnte das Parlament dies mit einem dringlichen Beschluss beschleunigen. So könne man mindestens ein halbes Jahr Zeit gewinnen. Sollten die Stimmberechtigten dereinst die Gesetzesrevision ablehnen, würde die Inkraftsetzung rückgängig gemacht.

Eichenberger plädiert ebenfalls für ein rasches Inkrafttreten des NDG. Allerdings steht sie einem Entscheid per Notrecht kritisch gegenüber. «Wir müssen den demokratischen Prozess einhalten», sagte sie. Wenn die Verordnungen zum Gesetz rasch in den Kommissionen behandelt werden könnten, sei ein Abstimmungstermin im Herbst realistisch.

«Blind und taub»

Forderungen nach mehr Kompetenzen und Ressourcen für die Sicherheitsbehörden erhebt ausserdem der Genfer Sicherheitsdirektor Pierre Maudet (FDP). Der NDB habe europaweit einzigartig wenig Kompetenzen, sagte Maudet im Interview mit der «SonntagsZeitung». «Wir sind in der Schweiz blind und taub.»

Das neue Nachrichtendienstgesetz bezeichnete Maudet als «absolute Minimalvariante». Es brauche nun endlich eine öffentliche Debatte über Sicherheit und Persönlichkeitsrechte.

Zudem müsse der Informationsfluss zwischen den Nachrichtendiensten verschiedener Länder verbessert werden. Ein Ziel sei insbesondere, von Frankreich einfacher und systematischer über Erkenntnisse zu «radikalisierten Kreisen in Frankreich, aber auch im Raum Genf» informiert zu werden.

Es stelle sich aber die Frage, «ob die Nachrichtendienste die Mittel haben, allen Spuren nachzugehen». Die vom Bundesrat angekündigte Stellenaufstockung für den NDB werde etwa erst im April in den Kantonen wirksam. Eine zusätzliche Herausforderung für den Grenzkanton ist die im Juni beginnende Fussball-Europameisterschaft in Frankreich.

Anschauungsunterricht in Molenbeek

Ein Bild von der Terrorismusbekämpfung in Belgien will sich die Aussenpolitische Kommission (APK) des Nationalrats im Herbst machen. Die Reise soll eine APK-Delegation mit acht Mitgliedern auch in den als Islamistenhochburg geltenden Brüsseler Stadtteil Molenbeek führen, wie APK-Präsident Roland Rino Büchel (SVP/SG) zu einer Meldung der «SonntagsZeitung» sagte.

In Molenbeek gebe es eine Art «Ghettobildung», wie sie auch in Städten wie Paris, Marseille, Lyon oder Malmö zu beobachten sei. Ähnliche Tendenzen gebe es in Genf, Lausanne oder Zürich. «Da können wir etwas lernen», sagte Büchel. Daneben wollen die Aussenpolitiker auch die EU-Institutionen in Brüssel und den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg besuchen.

(asu/sda)

Kommentieren Sie jetzt diese news.ch - Meldung.
Lesen Sie hier mehr zum Thema
Bern - Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) hat rund 400 potenzielle ... mehr lesen 1
Für das Thema Spionage will der NDB auch Unternehmen und Hochschulen sensibilisieren.
Seiler äusserte sich zu internen Dokumenten der Terrororganisation IS. (Archivbild)
Bern - Die Attentäter von Brüssel weisen nach Einschätzung des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) keinen Bezug zur Schweiz auf. Das sagte NDB-Chef Markus Seiler in einem Interview, ... mehr lesen
«SonntagsZeitung»/«Schweiz am Sonntag»: Sicherheitsdirektor Pierre Maudet fordert nach den Anschlägen in Brüssel eine öffentliche Debatte über Sicherheit und Persönlichkeitsrechte: «Wir sind in der Schweiz blind und taub.»
Bern - Die Schlagzeilen der ... mehr lesen
Zürich/Frankfurt - Nach den Explosionen auf dem Flughafen Zaventem in Brüssel ... mehr lesen
Am Flughafen Zürich lief der Betrieb nach den Anschlägen vorerst normal.
Weitere Artikel im Zusammenhang
Gemäss dem Bericht wurden neun Personen, die ein Asylgesuch eingereicht hatten, als ein mögliches Sicherheitsrisiko für die Schweiz eingeschätzt. (Symbolbild)
Bern - 22 Personen sind im vergangenen Jahr vom Nachrichtendienst des Bundes (NDB) als mögliches Sicherheitsrisiko für die Schweiz eingeschätzt worden. Der Grossteil von ... mehr lesen
.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Der Trend geht zu grösseren Wohnungen.
Der Trend geht zu grösseren Wohnungen.
Die EKW beobachtet den Wohnungsmarkt  Bern - Die Bedeutung des Wohnens hat während der Pandemie zugenommen. Grössere Wohnungen und Wohneigentum waren während der letzten Monate besonders gefragt. Dies sind Beobachtungen der Eidgenössischen Kommission für Wohnungswesen EKW. Sie bilden eine Momentaufnahme des zweiten Halbjahres 2021. Die EKW wird die Situation im Rahmen ihres Mandats weiter beobachten. mehr lesen 
Verbände Bern - Um den Herausforderungen der saisonbedingten Arbeitslosigkeit und des Fachkräftemangels im Gastgewerbe zu begegnen, wurde ... mehr lesen  
Durch die Massnahme sollten Saisonmitarbeitenden im Gastgewerbe Ganzjahresperspektiven geboten werden.
Private Radio- und Fernsehveranstalter werden mit 30 Millionen Franken aus der Radio- und Fernsehabgabe direkt unterstützt.
57.5 Millionen Franken für entgangene Werbeeinnahmen  Bern - Die Coronavirus-Pandemie trifft die Medien hart. Ihre Werbeeinnahmen sind bereits drastisch gesunken. Aufgrund der besonderen Bedeutung der Medien für die Demokratie hat das ... mehr lesen  
Reaktionär  Bern - Gegen die geplante Stiefkindadoption für Homosexuelle regt sich Widerstand. Sollte das Parlament das neue Adoptionsrecht in der vorliegenden Form verabschieden, will ein überparteiliches Komitee aus den Reihen der SVP, CVP und EDU das Referendum ergreifen. mehr lesen   3
Titel Forum Teaser
  • melabela aus littau 1
    es geht nicht nur um homosexuelle ich bin eine frau und verheiratet mit einem mann. leider betrifft es ... So, 14.08.16 13:18
  • Pacino aus Brittnau 731
    Kirchliche Kreise . . . . . . hatten schon immer ein "spezielles" Verhältnis zu ... Do, 09.06.16 08:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Das wird die Deutschen aber traurig machen. Wenn man keinen Flughafen und keinen Bahnhof ... Mi, 08.06.16 17:49
  • Pacino aus Brittnau 731
    Demokratie quo vadis? Wenn die Demokratie den Stacheldraht in Osteuropa-, einen Wahlsieg von ... Mo, 06.06.16 07:55
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Es... muss darum gehen, die Kompetenz der Kleinbauern zu stärken. Das sorgt ... Do, 02.06.16 13:07
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Kindeswohl egal! Es geht doch vor allem um die eigenen Kinder der Betroffenen. Die ... Do, 02.06.16 08:10
  • Kassandra aus Frauenfeld 1781
    Verlust der Solidarität: Verlust der Demokratie! Vollständig und widerspruchsfrei beantworten lässt sich das wohl nicht. ... Mi, 01.06.16 00:18
  • zombie1969 aus Frauenfeld 3945
    Unterstützung "Deshalb sind für die Sozialhilfe 267 Millionen Franken mehr und für ... Di, 31.05.16 10:38
 
Stellenmarkt.ch
Der Remoteserver hat einen Fehler zurückgegeben: (500) Interner Serverfehler.
Source: http://www.news.ch/ajax/top5.aspx?ID=0&col=COL_3_1
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Mi Do
Zürich 5°C 16°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt, Regen
Basel 8°C 18°C freundlichleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt, Regen
St. Gallen 4°C 14°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt, Regen
Bern 4°C 16°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt, Regen
Luzern 6°C 16°C recht sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt, Regen
Genf 5°C 16°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich wechselnd bewölkt, Regen
Lugano 6°C 17°C sonnigleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt freundlich
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten