Olympische Spiele: Morgendliche Jubelorgie in Vancouver:

Nicht nur im General Motors Place, wo die Vergabe frühmorgens live übertragen wurde, herrschte der Ausnahmezustand. Die über 18 000 Zuschauer in der seit Wochen restlos ausverkauften Halle der Vancouver Canucks brachen um 8.42 Uhr Ortszeit in grenzenlosen Jubel aus, als IOC-Präsident Jacques Rogge Vancouver als Ausrichterin der Winterspiele in sieben Jahren bekannt gab.

"Grossartig! Wir haben bereits die erste Goldmedaille 2010 gewonnen", freute sich etwa Gordon Campbell, der Gouverneur der Provinz British Columbia. Im General Motors Place herrschte eine Stimmung, als hätten die Canucks für das Hockey-verrückte Kanada das NHL-Playoff gewonnen. Euphorie war bereits ausgebrochen, als Salzburg, der vermutlich härteste Konkurrent der kanadischen Kandidatur, überraschend schon im ersten Wahlgang gescheitert war.

Sichtlich gezeichnet vom Nationalfeiertag, aber hoch erfreut nahm Kanadas Premierminister Jean Chrétien den Ausgang des IOC-Entscheids zur Kenntnis. "Ich habe zwar nicht sehr lange geschlafen, aber ich fühle mich grossartig", lautete der Kommentar Chrétiens, der nach den Feiern von Kanadas Geburtstag am Vortag die ganze Nacht im Flugzeug verbracht hatte, um noch rechtzeitig für die Schlusspräsentation von Vancouver in Prag einzutreffen. "Das ganze Team von Vancouvers Kandidatur hat grossartige Arbeit geleistet. Es bedurfte allerdings eines Foto-Finish."

Katzenjammer in Pyeongchang...

In der ländlichen Gegend um Pyeonchang verfolgten rund 2000 Personen nach Mitternacht Ortszeit die Vergabe der Olympischen Spiele 2010 auf einer Grossleinwand. Asiatisch zurückhaltend, aber enttäuscht nahm die Menge den Entscheid zur Kenntnis. Präsident Roh Moo-Hyun liess der südkoreanischen Delegation in Prag ein Telegramm mit tröstendem und gleichzeitig dankendem Inhalt zukommen. "Wir haben die Überraschung bereits kreiert, indem wir es in den zweiten Wahlgang schafften. Unser Handicap war, dass die anderen Kandidaturen viel bekannter waren. Mit unserer Bewerbung haben wir die Basis für einen erneuten Versuch gelegt."

Die rund 100 Kilometer östlich von Seoul gelegene Stadt wurde für den "Tag der Wahrheit" mit Blumen und Landesflaggen geschmückt. Eine Folklore-Gruppe und ein gigantisches Grillfest verkürzten die Wartezeit bis zur Bekanntgabe. Als die Station überraschend den ersten Wahlgang überstand, brandete Jubel auf, der allerdings von kurzer Dauer sein sollte.

...und in Salzburg

Als der Entscheid auf dem Salzburger Residenzplatz von den Zehntausenden mitfiebernden Leuten gehört wurde, hörte die Band mitten im Stück auf zu spielen; Bierkrüge gingen zu Boden. Das Volk weinte und haderte, wie es vor sieben Jahren nach dem Scheitern der Kandidatur Sion 2006 in der Schweiz geschehen war. ORF-Moderator Boris Jirka, dem "Master of Ceremonies", gingen die Worte aus, Sängerin Christa verbarg ihr Gesicht in den Händen, um die zahlreichen Tränen nicht zeigen zu müssen. "Es tut weh", fasste Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Gefühlslage zusammen.

"Das waren geopolitische Überlegungen, der Wind hat gegen uns geblasen", spekulierte derweil Leo Wallner, der Präsident des Österreichischen Olympischen Komitees. Auch in der österreichischen Botschaft in Prag, wo rund 250 Mitglieder der Salzburg-Delegation mitgefiebert hatten, war die Enttäuschung sehr gross; ebenso unter den Tausenden Anhängern auf dem Salzburger Residenzplatz sowie im deutschen Königsee, wo die Bob- und Schlittelwettbewerbe hätten stattfinden sollen.

(bert/Si)