Personen, ja!

publiziert: Montag, 26. Sep 2005 / 09:35 Uhr

Die SVP liest allen Ernstes aus dem Ja zur Personenfreizügigkeit ein Nein zum EU-Beitrittsgesuch der Schweiz. Die SP macht im «bösen Spiel» mit und interpretiert das Ja genau umgekehrt.

SVP-Parteipräsident Ueli Maurer und SP-Parteipräsident Hans-Jürg Fehr. Ihre Parteien machten am Sonntag der Schweizer Demokratie keine Ehre.
SVP-Parteipräsident Ueli Maurer und SP-Parteipräsident Hans-Jürg Fehr. Ihre Parteien machten am Sonntag der Schweizer Demokratie keine Ehre.
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Die SVP ist phänomenal. Da verliert die Partei in der Aussenpolitik Abstimmung um Abstimmung. Ja sie verliert seit 2003 sogar die Wahlen, siehe Solothurn und Aargau. Doch nichts desto trotz ist sie jeden Sonntagabend nach einer Abstimmung die Gewinnerin.

Am 5. Juni war ein Ja zu Schengen/Dublin, doch die SVP zeigt sich als «moralischer Sieger». Die Medien greifen das gierig auf und überall findet sich der Verweis, dass bei einem allfälligen Ständemehr die Vorlage gescheitert wäre.

«Dr Hätti und dr Wetti» pflegte meine Oma immer zu sagen, doch dies scheint den Journis egal zu sein.

SVP bläst zum Angriff

Gestern nun wird die auch in der EU äusserst umstrittene Personenfreizügigkeit mit grossem Mehr von den Stimmenden angenommen. Die Freude ist gross, die Entspannung ist da, endlich kann in der Schweiz mal wieder anständig und ausserhalb eines Abstimmungskampfes politisiert werden.

Was passiert? Die SVP bläst sofort zum Angriff. Als hätten die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen mit wuchtigem Nein der Europäischen Union eine niederschmetternde Absage erteilt. «Das Beitrittsgesuch muss zurückgezogen werden» und alle reagieren darauf. Phantastisch – eine Realsatire ist dazu nichts im Vergleich!

Fakten spielen keine Rolle

Die Fakten spielen dabei absolut keine Rolle mehr. Die SVP hat die Agenda mit einem irrsinnigen Thema besetzt. Da steht auch die SP völlig schräg in der Landschaft. Denn das Ja zur Personenfreizügigkeit ist ein Ja zur Personenfreizügigkeit. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Daraus eine Beitrittseuphorie zu interpretieren, ist sträflich.

Weder zurückziehen noch aktivieren, ist punkto Beitrittsgesuch angesagt. Falls das Beitrittsgesuch in irgendeiner Form thematisiert wird, verliert die Schweiz. So oder so. Weshalb etwas hervorkramen, das alle in Brüssel schon lange vergessen haben?

Das wäre, wie wenn zwei Nachbarn, die vor Jahren einen furchtbaren Streit hatten, der aber schon längst vergessen und bereinigt ist und auch das Verhältnis sich angenehm und gut entwickelt hat, plötzlich über diesen bisher nie gelösten Streit reden wollten.

Die einen wollen so tun, als hätte es den Streit nie gegeben, die anderen wollen ihn bereinigen, ausdiskutieren und befriedigen und die dritten sind völlig perplex, weil sie sich an den Streit nicht mehr wirklich erinnern. Und schon ist Feuer unter dem Dach, die Ruhe dahin.

Weg der Schweiz bestätigt

Das gestrige Ja bestätigt den bilateralen Weg zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Das Ja ist kein EU-Beitrittsbeschluss, ebenso wenig wie das Ja ein EU-Nein bedeutet.

Das Volk stimmt an der Urne nicht über den Weg, den die Politik einzuschlagen hat. Sondern es akzeptiert oder es weist zurück. Alle anderen Interpretationen sind demagogisch und im Kern undemokratisch.

Aber völlig selbstverständlich, dass jede Partei aus einem Volksentscheid genau das macht, was ihr passt und nicht, was der Sache entspricht. Und selbstverständlich, dass die Medien lieber Streit rapportieren, als Frieden kommentieren. Für das Ansehen der Demokratie und der Politiker insgesamt ist dies jedoch nicht besonders gut. Doch das hat gestern weder die SP noch die SVP gekümmert.

(Regula Stämpfli/news.ch)

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