Prozess gegen Hooligan im Fall Nivel begonnen

Der 30-Jährige muss sich vor dem Schwurgericht im nordfranzösischen Saint-Omer als einer der mutmasslichen Täter verantworten, die Nivel am 21. Juni 1998 am Rande der Fussballweltmeisterschaft im nordfranzösischen Lens fast zu Tode prügelten. Der Angeklagte sitzt seither in Untersuchungshaft.

Das Essener Landgericht hatte im November 1999 als Hauptschuldigen einen Hooligan wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Drei weitere Gewalttäter erhielten wegen gefährlicher Körperverletzung mehrjährige Haftstrafen.

Erinnerung ausgelöscht

Zum Prozessauftakt wurde Nivel von seiner Frau Lorette und seinen Söhnen Vincent und Nicolas begleitet. Unter Tränen erklärte die Ehefrau Nivels: «Wir müssen alles genau erfahren, wie es sich an diesem Tage zugetragen hat. Der 21. Juni 1998 existiere in der Erinnerung meines Mannes nicht mehr.»

Die Bilder von dem in einer Blutlache liegenden Gendarmen gingen um die Welt und lösten Wut und Entsetzen aus. Nivel trug bei dem Überfall schwerste Schädelverletzungen davon und überlebte nach sechs Wochen im Koma schwer behindert. Bis heute kann der 46-Jährige kaum sprechen, sich nur schwer konzentrieren und nur noch auf einem Auge sehen.

Zeugen: Fusstritte und Schläge mit Holzschild

Der Angeklagte wurde von Polizisten in den Gerichtssaal geführt. Statt eines Skinheads erschien ein junger Mann im Anzug mit kurzer modischer Frisur und Brille. Der frühere Inhaber eines Tätowierungs-Geschäfts war schon früher mit der Polizei in Konflikt gekommen.

Sein Anwalt Bertrand Wambeke sagte kurz vor Prozessbeginn, sein Mandant dürfe nur für das verurteilt werden, was er getan habe, und nicht für das, was an jenem Tag in Lens passiert sei.

Nach Angaben mehrerer Zeugen war der der Mann einer der betrunkenen Schläger, die nach dem Fussballspiel Deutschland gegen Jugoslawien über Nivel herfielen. Den Aussagen zufolge misshandelte er den am Boden liegenden Gendarmen mit Fusstritten am Kopf und schlug mit einem Holzschild auf ihn ein.

Bei seiner Aussage im Essener Nivel-Prozess hatte der 31-Jährige alle Schuld von sich gewiesen und erklärt, er habe sich «zum Schutz» ein Holzschild vor Gesicht und Oberkörper gehalten. Dabei habe er einen Gendarmen verletzt, aber nicht auf Nivel eingeschlagen. Seine Aussage im laufenden Prozess wird für Freitag erwartet.

Unter den Zeugen, die in den kommenden Wochen gehört werden sollen, sind unter anderen die Kollegen Nivels und der kleine Junge Mathieu, der kurz vor der Tat noch mit dem Gendarmen gekickt und den Angeklagten im Essener Prozess als einen der Schläger benannt hatte.

Auch der österreichische Fotograf Walter Sauer und der Hannoveraner Oberstaatsanwalt Wolfgang Büermann, dessen Behörde die Ermittlungen in Deutschland leitete, sollen als Zeugen aussagen.

(kil/sda)