Psychisch Kranke in Gastgeberfamilien

publiziert: Dienstag, 21. Dez 2004 / 07:57 Uhr

Zürich - Psychisch Kranke in einer Krise finden Aufnahme in Gastgeberfamilien statt in einer Klinik: Im Kanton Zürich wird seit Anfang Dezember ein neues Modell erprobt. Die Patienten finden einen normalen Lebensrahmen und werden nicht stigmatisiert.

Die Kranken werden nicht als Kranke ausgegrenzt und  werden ernst genommen.
Die Kranken werden nicht als Kranke ausgegrenzt und werden ernst genommen.
Die 32-Jährige leidet seit Jahren an Persönlichkeitsstörungen. In Krisenzeiten wird sie von heftigen Ängsten gepackt, sobald sie allein ist - insbesondere nachts. Bisher wurde sie in solchen Phasen jeweils in eine Klinik eingewiesen.

Seit dem 6. Dezember lebt sie nun für maximal einen Monat in der grossen, schönen Wohnung einer Rentnerin in den Sechzigern. Die junge Frau hat dort ein Zimmer und teilt den Alltag ihrer Gastgeberin.

"Die beiden Frauen verstehen sich gut. Sie reden viel miteinander und gehen manchmal zusammen aus", sagt Katharina Lötscher von der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) Zürich. Die Psychiaterin telefoniert täglich mit der Gastgeberin und mit der Patientin. Letztere sieht sie auch regelmässig. Im Notfall wäre ein Pikett-Arzt rund um die Uhr erreichbar.

Viele Anmeldungen

Als ehemalige Berufsberaterin wollte sich die Gastgeberin sozial engagieren. So war sie rasch überzeugt von der Idee, einen Menschen in einer Krisensituation bei sich aufzunehmen. Ausser ihr meldeten sich rund fünfzig anderen Einzelpersonen oder Familien, als im vergangenen Juni in Deutschschweizer Zeitungen Inserate erschienen.

Ziemlich viele kamen allerdings nicht in Frage, da sie zu weit ausserhalb Zürichs leben. Andere haben ihre Bewerbung nachträglich wieder zurückgezogen. Schliesslich blieben vier Gastgeberhaushalte: Eine Biobauern-Familie, zwei Rentner und eine alleinerziehende Mutter mit zwei Töchtern.

Strenge Auswahl

Die Kandidierenden wurden einem strengen Auswahlverfahren unterzogen. Bedingung waren nicht nur eine geordnete finanzielle Basis und ein untadeliger Leumund. Verlangt wurde darüber hinaus auch Platz, ein Minimum an Komfort und Zeit, gute körperliche und seelische Gesundheit und ein stabiles soziales Netz.

"Alles sind offene, tolerante und warmherzige Menschen, die sich für andere interessieren und bereit sind, sie so zu akzeptieren wie sie sind, sagt Lötscher. Während zwei Nachmittagen wurden die Gastgebenden auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Zwei warten noch auf ihre ersten Gäste.

An sich kommen alle über 18-jährigen Patientinnen und Patienten als Familiengäste in Frage: Depressive und Schizophrene, solche mit Persönlichkeitsstörungen oder mit Psychosen. Ausgeschlossen sind stark suizidgefährdete oder gefährliche Patienten sowie Alkohol- und Drogenabhängige. Nach einem Jahr wird eine erste Bilanz gezogen.

Idee aus den USA

Die Idee für den Versuch stammt von René Bridler, Leiter des PUK-Ambulatoriums, und von PUK-Direktor Daniel Hell. Sie basiert auf einem Modell, das in Wisconsin (USA) seit 17 Jahren erfolgreich angewandt wird. Erstes Anliegen ist es, den Lebensraum von psychisch Kranken zu "de-institutionalisieren" und die Patientinnen und Patienten zu "ent-stigmatisieren".

In einer Gastgeberfamilie leben die Patienten in einem gesunden und persönliche Umfeld. Sie profitieren von persönlicher Betreuung und von grösserer Freiheit - innerhalb fester Strukturen, wie Hell erklärt. So fühlten sie sich besser akzeptiert und könnten mit der Zeit besser mit ihrer Krankheit leben.

Obendrein ist ein Aufenthalt in einer Gastgeberfamilie vergleichsweise preisgünstig: Mit rund 140 Franken pro Tag ist der Aufwand um mehr als die Hälfte billiger als ein Klinikaufenthalt.

(Barbara Knopf/sda)

 
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