Quo grabis? - Arbeitsperspektiven in der Bodenkunde

publiziert: Samstag, 30. Jan 2016 / 23:45 Uhr

2015 wird als das UN-Jahr des Bodens in Erinnerung bleiben. Doch wohin entwickelt sich die Bodenkunde und wie können Studienabgänger im Berufsleben Fuss fassen? Ein Diskussions- abend blickt über den fachlichen Tellerrand hinaus und zeigt, dass Berufseinsteiger viele Karriereoptionen haben - in akademischen und angewandten Bereichen.

Die Young Professionals in Soil Science luden jüngst auf der Jahrestagung der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft, dem grössten Treffpunkt deutschsprachiger Bodenkundler, zu einem World Café der Bodenperspektiven. Unter der humorvoll zusammengefassten Leitfrage der Veranstaltung «Quo grabis?» (frei übersetzt: «Wohin gräbst Du?») wurden Berufsbereiche besprochen, in die Bodenkundler bevorzugt hineindiffundieren. Ein Ergebnisbericht.

Wissenschaft

Der Weg zum bodenwissenschaftlichen Erfolg ist steinig und hart umkämpft. Doch wer ihn geht, hat abwechslungsreiche Herausforderungen und die Chance, das Bodenwissen von Morgen nachhaltig mitzugestalten. Ohne eine gehörige Portion Leidenschaft für sein Fach schafft aber keine Wissenschaftlerin und kein Wissenschaftler die vielfältige Arbeit praktisch rund um die Uhr und an Wochenenden. Familie und Beruf zu vereinen ist schwierig: Zwar kann man die Arbeit meist flexibel über den Tag verteilen, dafür sind passende Arbeitsstellen weit über den Globus verteilt.

Ein erfolgreicher Bodenwissenschaftler gestaltet nicht nur Experimente, deutet und veröffentlicht sie, sondern hält auch Vorlesungen, arbeitet mit Studierenden im Team und pflegt Beziehungen zur Praxis, Öffentlichkeit und anderen Forschungsbereichen. Deshalb müssen Jungwissenschaftler ihre Kompetenzen stetig ausbauen und neue Forschungsideen aktiv verfolgen. Fachlich gesehen bewegt sich die Bodenforschung weg von der Feldbodenkunde (z.B. Geländeuntersuchungen mit einfachen Werkzeugen, um Bodenbildung und -fruchtbarkeit einzuordnen) hin zu molekularen Themen (z.B. Erfassung der Stabilisierungsprozesse von Humus mittels modernster Technik im Labor). Das Prozessverständnis von der Nanoebene auf landschaftliche Fragestellungen zu übertragen ist daher zunehmend eine anspruchsvolle Jobvoraussetzung, auf deren Basis sich die Ideen junger Bodenkundler entfalten können.

Bodenkundliche Baubegleitung

Ein Stundenansatz von 130 bis 150 Franken und gute Jobmöglichkeiten aufgrund notwendiger Umweltprüfungen vieler Bauprojekte wecken bei jungen Bodenkundlern grosses Interesse. Nach Abrechnung aller Nebenkosten und Steuern schmilzt der Stundenlohn je nach Auftragslage und Schwierigkeit allerdings noch zusammen. Bodenkundliche Baubegleitung ist besonders bei Grossprojekten (z.B. Trassenbau, Windkraftanlagen) immer stärker nachgefragt und gerade in der Schweiz ein etabliertes Berufsbild. Junge Baubegleiter lernen das praktische Handwerk meist erst nach dem Berufsstart in spezialisierten Büros. Wer sich im Gelände gut auskennt, sachkundig vermittelt und ausreichend psychisch belastbar ist, dem steht eine vielversprechende Karriere als Freiberufler offen, die für jede Qualifikation vielfältige Herausforderungen bietet. Beim Dolmetschen zwischen Bauleitern und Landwirten gilt es, solide im Sinne der Bodenfunktionen zu entscheiden - auch bei umstrittenen Bauprojekten und Bürgerprotesten. Bei einer gegenwärtigen Versiegelungsrate von rund acht Hektar Schweizer Boden pro Tag wird den bodenkundlichen Baubegleitern von morgen jedenfalls nicht langweilig werden.

Altlasten und Bodensanierung

In den Böden verlassener Industriestandorte aus rücksichtslosen Jahrzehnten schlummern oft hohe Gefahren für das Grundwasser, die Ökologie und den Menschen. Um die unzähligen verseuchten Flächen einzuschätzen und zu sanieren braucht es junge Wissensvermittler, die sowohl den direktem Kontakt zu besorgten Bürgern suchen als auch verantwortungsvolles Verständnis haben für wissenschaftliche Artikel (z.B. humantoxikologischer Untersuchungen mit Benzpyren). Dabei bedarf es solider Entscheidungskompetenz und vermittelnder Fähigkeiten zwischen verschiedenen Ansprechpartnern und Anspruchsgruppen, seien es Umweltschützer, Ämter oder Industrievertreter. Ein aktuelles Beispiel: Das Aufgabenfeld der Münchner Bodenschutzverwaltung ist mit der Ausweisung von Wohnflächen für Flüchtlinge derzeit hochpolitisch und wirkt sich direkt auf die Gesellschaft aus.

Internationale Entwicklungszusammenarbeit

Wer beim Stichwort Entwicklungszusammenarbeit nur an praktische Weltverbesserung zusammen mit Menschen vor Ort im Sinne eines «Bodenkundlers ohne Grenzen» denkt, liegt nicht ganz richtig. Im Arbeitsalltag gilt es einiges an Schreibtischarbeit zu bewältigen, um Entwicklungsvorhaben in Partnerländern umzusetzen. Trotz fehlender sozialwissenschaftlicher Kenntnisse sind junge Naturwissenschaftler in entwicklungspolitischen Agenturen gefragte Berufsanfänger. Ob als Projekt-Manager, Verfasser von Konzeptpapieren oder als Netzwerker vor Ort ist es hilfreich, über das bodenkundliche Fach hinweg auch mit Klima-, Wasser- und Ernährungsthemen vertraut zu sein.
Als absoluter Experte kann man allerdings auch als Gutachter an entwicklungspolitischen Projekten mitwirken. Der Berufseinstieg erfolgt meist über befristete Stellen für zwei bis vier Jahre. Danach werden rund ein Viertel der Mitarbeiter festangestellt. Für Vermittler zwischen politischen Budgetposten und Projektpartnern vor Ort wartet hier ein bewegendes Arbeitsfeld mit weitem Reiseradius. Ohne die Expertise junger Bodenkundler wird das Sustainable Development Goal der UNO, die Verschlechterung von Land bis 2030 auf null zu reduzieren, zweifellos nicht erreichbar sein.

Bodenkunde - ein Arbeitsmarkt mit Tiefgang

Die ökosystemische Schlüsselrolle und das weltweite Vorkommen von Böden eröffnen jungen Bodenkundlern ein breites Arbeitsfeld. Sorgen bereitet jedoch, dass die finanziellen Mittel für die Wiederherstellung und den Erhalt der Bodenfunktionen vielerorts fehlen. Da bleibt zu hoffen, dass die jungen Bodenkundler immerwährend tiefer graben, um sich findig in Projekte und Jobs einzubringen, auf dass die Bodenkunde in ihrer vollen Fachbreite weiter an Bedeutung gewinnt.

( Steffen Schweizer/ETH-Zukunftsblog)

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