Rad: Die Demonstration von Jan Ullrich

Es war Ullrichs siebter Etappensieg bei der Tour de France, wobei der letzte Erfolg aus dem Jahre 1998 datiert, als er drei Etappen, darunter die beiden Zeitfahren gewann. "Damit habe ich mein Ziel für diese Tour bereits erreicht", sagte der überglückliche Ullrich. "Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Zeitfahren gewinnen kann. Ich bin den Tränen nahe."

Der gebürtige Rostocker, der die Tour 1997 gewonnen hatte, verpasste die gesamte letzte Saison wegen Kniebeschwerden sowie den Auftakt in diesem Jahr nach seiner Dopingsperre. Er hatte während einem Discobesuch unbekannte Pillen geschluckt gehabt.

Die Tour de France ist nach dem ersten Einzelzeitfahren so spannend wie seit Jahren nicht mehr. Vor den drei schweren Pyrenäenetappen liegt auch der Dritte Alexander Winokurow nur 51 Sekunden hinter Armstrong. Der Kasache zeigte ein überraschend starkes Zeitfahren und verlor nur 30 Sekunden auf Armstrong. Dies dürften auch die drei Fahrer sein, die in Paris die ersten Plätze belegen werden, zumal in einer Woche noch ein Einzelzeitfahren auf dem Programm steht.

Mayo und Zubeldia gefordert

Schwierig wird derweil die Aufgabe für die spanischen Kletterspezialisten, die in der brutalen Hitze im Süden Frankreichs viel Zeit einbüssten. Der bisherige Gesamtdritte Iban Mayo verlor über fünf Minuten auf Ullrich und liegt nun viereinhalb Minuten hinter Armstrong, zeitgleich mit seinem Euskaltel-Teamkollegen Haimar Zubeldia, der das Zeitfahren mit 2:39 Rückstand im 4. Rang beendete. Sie werden die drei Gesamtersten wohl schon heute im Schlussaufstieg nach Ax-3 Domaines zu attackieren versuchen.

Armstrong gibt sich trotz der deutlichen Niederlage "im wichtigsten Zeitfahren" seiner Karriere zuversichtlich. Er trage noch immer das Maillot jaune, und in Nantes findet überdies noch eine weitere Prüfung gegen die Uhr statt. "Ullrich zeigte ein super Zeitfahren, aber die Tour ist noch nicht fertig", sagte Armstrong. Auch verfüge er in den kommenden Bergetappen über die stärkste Mannschaft.

Winokurow überraschte alle

Die Prüfung sei allerdings deutlich schwerer gewesen, als er dies erwartet habe. Vor allem zum Ende hin habe er leiden müssen. "Ich hatte das Gefühl, überhaupt nicht mehr vom Fleck zu kommen."

Für Armstrong war es die klarste Niederlage in einem Tour-Zeitfahren seit dem ersten Sieg 1999. Einzig im letzten Jahr musste er sich im ersten Zeitfahren um elf Sekunden dem späteren Zeitfahr-Weltmeister Santiago Botero (Kol) beugen, führte diesen Rückstand aber seinerzeit auf technische Probleme zurück.

Einen grossen Teil seines Rückstandes handelte sich Armstrong erstaunlicherweise im eigentlich auf ihn zugeschnittenen, flachen Mittelteil ein. Auch überraschte Winokurow in diesem Abschnitt mit einer starken Leistung, nachdem er auf den ersten coupierten Kilometern fast 36 Sekunden auf den vierfachen Tour-Sieger verloren hatte. Der Sieger der Tour de Suisse zeigte mit 2:06 hinter Ullrich seine beste Zeitfahrleistung.

Armstrong bleibt gelassen

Winokurow übertraf damit deutlich seine Zielvorgabe, nicht mehr als anderthalb Minuten auf Armstrong zu verlieren. In den Alpen hatte der bald 30-Jährige diese Marge auf den Amerikaner gut gemacht. Dennoch mochte der Dominator der letzten vier Jahre in der zum Vergnügungspark umfunktionierten Kohlenmine nicht schwarz malen.

"Ich habe noch immer 34 Sekunden Vorsprung und muss deshalb nicht selber angreifen", sagte Armstrong, der die Favoritenrolle gleichwohl Ullrich zuschob. "Ich habe ihn schon immer als stärksten Rivalen gesehen", so der Amerikaner. Zudem sei Ullrich in der zweiten Tourhälfte stets stärker gefahren.

Schweizer hoffen auf Etappensieg

Ohne Exploit blieben die drei im Rennen verbliebenen Schweizer. "Ich versuchte, möglichst wenig Kraft zu verbrauchen, um in der letzten Tour-Woche vielleicht doch noch eine Etappe zu gewinnen", sagte Markus Zberg (149.). Der Urner wird sich auch in den Pyrenäen-Etappen zurückhalten, um möglichst frisch für die letzten Tage zu sein.

Steve Zampieri (82.) und Laurent Dufaux (59.) hoffen dagegen, schon in den Pyrenäen in einer Fluchtgruppe Unterschlupf zu finden und so zu einem Etappensieg zu kommen. "Jetzt entscheidet vor allem der Kopf", sagte Zampieri. Der Neuenburger hat sich von seiner Magenverstimmung erholt, leidet jedoch an leichten Knieproblemen.

von Sascha Rhyner, Cap´ Découverte

Resultate der 12. Etappe

Einzelzeitfahren Gaillac - Cap´ Découverte (47 km)

1. Jan Ullrich (De) 58:32 (48,178 km/h). 2. Lance Armstrong (USA) 1:36 zurück. 3. Alexander Winokurow (Kas) 2:06. 4. Haimar Zubeldia (Sp) 2:40. 5. Tyler Hamilton (USA) 2:43. 6. Uwe Peschel (De) 3:26. 7. David Millar (Gb) 3:55. 8. Inigo Charreau (Sp) 4:01. 9. David Plaza (Sp) 4:37. 10. Santiago Botero (Ko) 5:00.

11. Francisco Mancebo (Sp), gleiche Zeit. 12. Iban Mayo (Sp) 5:03. 13. Georg Totschnig (Ö) 5:06. 14. Denis Mentschow (Russ) 5:15. 15. Laszlo Bodrogi (Un) 5:25. 16. Christophe Moreau (Fr) 5:27. 17. José Azevedo (Por) 5:32, 18. Carlos Sastre (Sp) 5:52. 19. Massimiliano Lelli (It) 5:59. 20. Ivan Basso (It) 6:00.

21. Paolo Bettini (It), gleiche Zeit. 22. Michael Rogers (Au) 6:06. 23. George Hincapie (USA) 6:11. 24. Ivan Parra (Kol) 6:12. 25. Victor Hugo Peña (Kol), gleiche Zeit. 26. Peter Luttenberger (Ö) 6:15. 27. Manuel Beltran (Sp), gleiche Zeit. 28. Grischa Niermann (De) 6:19. 29. Marc Wauters (Be) 6:20. 30. Didier Rous (Fr) 6:27.

Ferner: 59. Laurent Dufaux (Sz) 8:13. 82. Steve Zampieri (Sz) 8:50. 149. Markus Zberg (Sz) 11:08. -- 167 Fahrer gestartet und klassiert. Gesamtklassement: 1. Armstrong 50:16:45. 2. Ullrich 0:34. 3. Winokurow 0:51. 4. Hamilton 2:59. 5. Zubeldia 4:29. 6. Mayo, gleiche Zeit. 7. Mancebo 5:01. 8. Basso 6:49. 9. Mentschow 7:24. 10. Moreau 7:55.

11. Roberto Heras (Sp) 8:24. 12. Georg Totschnig (Ö) 8:28. 13. Beltran 9:10. 14. Millar 9:34. 15. Roberto Laiseka (Sp) 9:43. 16. Sastre 10:15. 17. Plaza 11:30. 18. Richard Virenque (Fr) 11:47. 19. Jörg Jaksche (De) 12:08. 20. Luttenberger 12:59.

21. Pietro Caucchioli (It) 13:10. 22. Rous 13:36. 23. Parra 14:22. 24. Michael Boogerd (Ho) 15:45. 26. Dufaux 17:05. 27. Felix Garcia Casas (Sp) 17:13. 28. José Luis Rubiera (Sp) 17:35. 29. Sylvain Chavanel (Fr) 17:43. 30. Grischa Niermann (De) 18:17.

Ferner: 93. Zampieri 1:13:42. 94. Zberg 1:13:45.

Zwischenzeiten (der Gesamtbesten). Km 13: Ullrich und Armstrong je 16:26. Winokurow 0:19. Zubeldia 0:26. Hamilton 0:35. Mayo 1:02. Mancebo 1:04. Basso 1:07. -- Km 33,5: Ullrich 40:28. Armstrong 0:40. Winokurow 1:02. Hamilton 1:48. Zubeldia 1:52. Mayo 3:06. Mancebo 3:25. Basso 3:42.

(bert/Si)