Rebekkas Regenwald-Diät

Ihr Menuplan ist ein immerwährender Kreislauf aus Pasta mit Pesto, Fischstäbchen, Rösti aus der Tüte, Fertigpizza, Büchsenravioli und aufgewärmten Büchsenravioli vom Vortag. Zudem sind sie seit Monaten die besten Kunden von Göhkans Kebabstand nebenan. Kein Wunder winkt ihnen Gökhan immer überschwenglich zu, wenn er in seinem brandneuen BMW 750i vorfährt.

Rebekka hingegen, hat seit ihrer Südamerika-Reise dem Junkfood abgeschworen. («Schluss jetzt mit diesen Gammelfleisch-Ravioli und panierten Fischabfällen! Das ist so was von ungesund.») Stattdessen richtet sie sich strikt nach den Essgewohnheiten der Chappias, ein brasilianisches Urwaldvolk, bei dem sie drei Wochen zu Gast gewesen ist: Zwei Mal pro Woche bäckt sie ungesalzenes Maniokbrot, tagsüber gibt es Bananen, Papayas, frische Ananas, Mangos oder Cashewnüsse. Am Abend isst sie Fisch, Krabben, schwarze Bohnen oder einen Maiseintopf.

Ihr Lieblingsmenü ist aber eindeutig der Tchoñ-pu, ein Brei aus gestampfter Hirse und überreifen Bananen. Rebekka befolgt ihre Regenwald-Diät mit einer für sie unüblichen Entschlossenheit – ja sogar Verbissenheit. Auf jeden Fall wäre niemand erstaunt, wenn sie das Bier für die nächste Party durch Vergären von Mais in ihren Backentaschen gewinnen würde.

John und Beat haben keine Freude an Rebekkas Gesinnungswandel. Sie vermissen die heitere Stimmung während den Fischstäbchen-Wettessen und haben keine Lust mehr auf Kebab-Exzesse drüben bei Gökhan. Zu dritt machte dies einfach viel mehr Spass. Deshalb beschliessen sie, Rebekka wieder auf Kurs zu bringen.

Johns Strategie besteht aus gezielten Nadelstichen: «Glaubst du wirklich, du lebst jetzt gesund? Durch den langen Transport von Brasilien in die Schweiz gibt es in deinen Maniokwurzeln noch weniger Vitamine als Kommunisten an einem SVP-Buurezmorge», moniert er. Und als Rebekka zwei Mal hintereinander schwarze Bohnen kocht: «Na war heute kein Tapir in der Falle?» Rebekka lässt sich jedoch nicht beirren. Deshalb fährt Beat gröberes Geschütz auf. Systematisch kocht er Rebekkas ehemalige Lieblingsmenus. Der krönende Abschluss ist ein Fondue Chinoise à discretion mit Freunden. Obwohl Beat behauptet, Rebekka habe an jenem Tag äusserst lustlos in ihrem Maiseintopf herumgestochert, muss auch er sein Scheitern eingestehen.

Mehr Erfolg hat Luis, wenn auch unfreiwillig. Luis ist der amouröse Teil von Rebekkas Regenwald-Trip. Zwar kein echter Chappia-Indianer, aber immerhin Brasilianer. Als er eines Abends den liebevoll zubereiteten Tchoñ-pu sichtlich angewidert beiseite stösst und sich bei Johns Prix-Garantie-Lasagne bedient, brechen bei Rebekka die Dämme. Nachdem sie dem verdatterten Luis den restlichen Tchoñ-pu ins Gesicht gekleistert hat, verlässt sie heulend die Wohnung. Zehn Minuten später kommt sie wortlos mit zwei Kebabs zurück und verschlingt diese in Rekordtempo. Als sie fertig ist, entschuldigt sie sich bei Luis und klaubt ihm zärtlich den restlichen Hirsebrei aus den Haaren.

Seit diesem Vorfall gehören Maniokbrot, Maiseintopf und Tchoñ-pu der Vergangenheit an. Dafür isst Rebekka wieder mit John und Beat – ganz wie früher. Die beiden Jungs sind froh, dass ihre Regenwald-Diät nach relativ kurzer Zeit vorbei ist.Nur für einen hat das Ganze offenbar zu lange gedauert: Gökhan fährt wieder seinen alten Fiat Punto. Und winkt nicht mehr.

In Kürze gibt es eine weitere Kurzgeschichte über die 3er-WG

(von André Bähler/studisurf.ch)