«Religion als Institution ist Gewalt gegen Menschen»

publiziert: Donnerstag, 26. Nov 2015 / 11:33 Uhr
Flüchtlinge brauchen weniger Gott und mehr Vernunft - auch wenn das hiesige Regierungen scheinbar nicht verstehen wollen.
Flüchtlinge brauchen weniger Gott und mehr Vernunft - auch wenn das hiesige Regierungen scheinbar nicht verstehen wollen.

Wer heute flüchtet, flüchtet in den Westen, flüchtet vor institutionalisierter Religion, flüchtet vor staatlicher Freiheitsbeschränkung und sucht staatliche Freiheitsgarantie und Menschenrechte. Es ist absurd, diese Flüchtlinge in Europa zur Integration an Religionsgemeinschaften verweisen und diese weiter zu institutionalisieren.

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Rede des syrischen Dichters Adonis
Artikel über die Rede des syrischen Dichters Adonis am Münchner Literaturfest.
dw.com

Der syrische Dichter Adonis hielt kürzlich am Münchner Literaturfests ein Plädoyer gegen die institutionalisierte Religion. Für sein Engagement für die Trennung von Religion und Staat, die Gleichberechtigung der Frauen in der arabischen Welt sowie für eine aufgeklärte arabische Gesellschaft sollte der Dichter dieses Jahr mit dem Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück geehrt werden. Die Preisverleihung wurde aber nach heftiger Kritik von Kollegen ausgesetzt, die Adonis vorwarfen, sich nie vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und dessen Regime distanziert und die «syrische Revolution» nicht unterstützt zu haben, weil sie gemäss seiner Aussage «in den Moscheen ihren Ausgang genommen» hätte.
Diese Kritik ist sicher berechtigt, Adonis scheint auf einem Auge blind zu sein - das heisst aber nicht, dass das andere Auge nicht scharf sieht.

Sein Eintreten für Säkularität ist bedeutsam in einer Zeit, in der die westliche Welt versucht ist, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, das heisst religionisierte Konflikte durch Institutionalisierung von Religion zu bekämpfen. Dies unterscheidet Adonis denn auch fundamental von seinem Kritiker Navid Kermani, dem diesjährigen Träger des «Friedenspreises des Deutschen Buchhandels», der 2012 nach dem Urteil des Kölner Landgerichts, welches die Beschneidung eines Knaben als Körperverletzung taxiert hatte, dem Gericht vorwarf «mal eben so im Handstreich viertausend Jahre Religionsgeschichte für obsolet zu erklären.» Aufklärung sei nicht nur die Herrschaft der Vernunft, sondern zugleich das Einsehen in deren Begrenztheit. Kermani selber ist ein Freund der Religionen, setzt auf den interreligiösen Dialog und hat anlässlich der Preisübergabe 2015 ein interreligiöses Gebet angestimmt.

Vernunft sollte sich aber nur durch bessere Vernunft und sicher nicht durch religiöse Tradition begrenzen lassen. Der aufgeklärte Staat sollte sich deshalb von den Erkenntnissen der Vernunft, also den Wissenschaften leiten lassen und das Religiöse innerhalb der menschenrechtlichen Grenzen zwar tolerieren aber nicht instrumentalisieren und institutionalisieren - auch nicht zur Integration von Menschen mit anderen Traditionen. Wer heutzutage auf der Flucht ist, flüchtet in den Westen, flüchtet eben gerade vor institutionalisierter Religion, die das Leben der Menschen bis ins Detail regeln will, flüchtet von staatlicher Freiheitsbeschränkung und sucht staatliche Freiheitsgarantie und Menschenrechte. Es ist absurd und geradezu obszön, Flüchtlinge in Europa zur Integration an Islamverbände, Kirchen und Glaubensgemeinschaften zu verweisen und diese weiter zu institutionalisieren und dadurch als Hort der Freiheit zu adeln.

Vernunft ist die Basis eines wissenschaftlichen Weltverständnisses, das sich vom religiösen Weltverständnis durch seinen Veränderungswillen angesichts von neuen Erkenntnissen unterscheidet. Religiöses Weltverständnis ist statisch und hat sich deshalb als stabilisierendes Element einer Gesellschaft lange halten können. Diese Rolle hat in aufgeklärten Gesellschaften das Recht übernommen, das zwar nicht vollständig statisch, aber träge ist. Das Recht hat als Gegengewicht zum rasanten wissenschaftlichen Fortschritt die Aufgabe, diesen nicht zu unterdrücken, aber in seiner Vorläufigkeit und Irrtumsanfälligkeit zu sehen und seine unmittelbare Durchschlagskraft auf die Gesellschaft durch demokratisch erlassene Gesetze sinnvoll zu begrenzen.

(Reta Caspar/news.ch)

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