Rosbergs (Zweck-)Optimismus

Für den Privatmann Nico Rosberg ist das Glück seit der Geburt von Tochter Alaïa Ende August perfekt. Im Berufsleben sieht die Welt für den Deutschen derzeit weniger rosig aus. Spätestens seit dem Ausscheiden im Grand Prix von Italien vor zwei Wochen hat sich die Zahl derer, die dem Deutschen den Titelgewinn in der laufenden Saison zutrauen, auf ein absolutes Minimum reduziert.

Der Motorschaden am Mercedes liess Rosbergs Rückstand auf seinen Teamrivalen Lewis Hamilton auf 53 Punkte anwachsen - also auf mehr als den Gegenwert von zwei Siegen. Eine wohl zu grosse Hypothek bei sieben ausstehenden Rennen und vor allem angesichts der Souveränität, mit der Hamilton die Szenerie mittlerweile beherrscht. Der missratene Auftritt Ende Juli im Grossen Preis von Ungarn («meine schlechteste Leistung, seit ich in der Formel 1 dabei bin») dürfte in der saisonalen Erfolgsbilanz des Engländers die Ausnahme bleiben.

Vierter Motor für Rosberg

Die Technik hält Rosberg auch für den Rest der Saison in Atem. An diesem Wochenende in Singapur muss er auf die vierte Antriebseinheit zurückgreifen und hat damit das gemäss Reglement zugelassene Kontingent ausgeschöpft. Ob Rosberg damit in den sieben ausstehenden Grands Prix über die Runden kommt, ist fraglich. Weitere Wechsel im Bereich des Motors werden eine Rückversetzung in der Startaufstellung mit sich bringen - und die Chancen Rosbergs zusätzlich kompromittieren.

Rosberg hat den Glauben daran, dass das Pendel doch noch zu seinen Gunsten ausschlagen könnte, selbstredend noch nicht aufgegeben, auch wenn ihn die bisherigen Vorstellungen Hamiltons ebenfalls beeindruckt haben. «Er hat den besseren Job gemacht und verdient es, ganz vorne zu sein.» Gerade Hamiltons miserable Performance in Ungarn hat aber gezeigt, dass selbst der aktuelle Primus der Formel 1 nicht gefeit ist vor Fehlern. Das wird Rosberg Mut machen.

Die Wende vor einem Jahr

Dazu hat Rosberg sinnigerweise in Singapur selber erleben müssen, dass sich das Blatt sehr schnell wenden kann. Im vergangenen Jahr war Rosberg als WM-Führender mit 22 Punkten Vorsprung im Stadtstaat angekommen - und als Gesamtzweiter wieder abgereist. Wegen des streikenden Getriebes wurde er im Rennen zur Aufgabe gezwungen und von Sieger Hamilton an der Spitze des Klassements abgelöst. Es sollte die Vorentscheidung im internen Titelduell und die Initialzündung für einen unwiderstehlichen Endspurt des Briten sein. Das Restprogramm brachte Hamilton mit vier Siegen und einem zweiten Rang praktisch makellos hinter sich.

Der Ausfall vor zwölf Monaten ist der letzte Eintrag in Rosbergs Bilanz für Singapur, in welcher der (überraschende) zweite Platz bei der Premiere vor sieben Jahren als einziges Highlight zu finden ist. Es folgten Klassierungen zwischen den Rängen vier und elf - unspektakulär, aber dem Umstand geschuldet, dass Rosberg mit dem Williams nicht über ein konkurrenzfähiges Auto verfügt hat und sich die ersten Jahre bei Mercedes wie erwartet als schwierig erwiesen haben. Für Rosberg sind diese Ergebnisse deshalb nicht von Relevanz. «Ich schaue nicht zurück. Ich bin zuversichtlich, dass ich Lewis hier in Singapur bezwingen kann.» Mehr als (Zweck-)Optimismus bleibt ihm auch nicht übrig.

(bg/Si)