Ryder Cup ist, wenn Golfprofis schlottern
Die besten 12 Europäer gegen die besten 12 Amerikaner: Der Ryder Cup ist für viele der bedeutendste Golfanlass überhaupt. Von Freitag bis Sonntag wird in Bloomfield Hills (Michigan) zum 35. Mal um die Trophäe des englischen Kaufmanns Samuel Ryder gespielt.
Die ungewohnte Atmosphäre führt oft gerade auf den ersten Löchern des Wettkampfs am Freitagmorgen zu grotesken Szenen. Bis das erste Nervenflattern verschwunden ist, können die einfachsten Schläge missraten. Am Schluss kann die Anspannung jeweils in eine umso grössere Freude münden: Die Spieler des Siegerteams hüpfen wie Kinder auf den Greens herum, schreien und umarmen sich.
Grosse Medienpräsenz
Am Wochenende wird dies vor Zehntausenden von Fans auf dem in zahlreichen US Open erprobten Par-70-Kurs "Oakland Hills" in der Nähe von Detroit nicht anders sein. Schon im Vorfeld füllte der Ryder Cup in den anglikanischen Zeitungen ganze Seiten.
Wochenlang wurde nur schon darüber gewerweisst, an wen die beiden Teamcaptains Hal Sutton (USA) und Bernhard Langer (Europa) ihre zwei Wildcards vergeben würden. Sutton entschied sich für Stewart Cink und Veteran Jay Haas, Langer für Luke Donald und Routinier Colin Montgomerie. Die übrigen zehn Spieler jedes Teams hatten sich dank ihren Turnierresultaten qualifiziert.
Eigene Gesetze
Ähnlich wie in den Cup-Partien im Fussball ortet man im Ryder Cup Unwägbarkeiten und eigene Gesetze. Den nackten Zahlen nach wären die Amerikaner, angeführt von Tiger Woods und Phil Mickelson, auch in diesem Jahr die haushohen Favoriten.
In ihrem Team stehen fünf Spieler (Woods, Mickelson, Davis Love, Jim Furyk, David Toms) mit mindestens einem Majorturnier-Sieg, während sich kein einziger der zwölf Europäer rühmen kann, jemals eines der vier Grand-Slam-Turniere (US Masters, US Open, British Open, US PGA Championship) gewonnen zu haben. Auch ein Blick in die Weltrangliste ergibt ein klares Bild. Die durchschnittliche Ranking-Position der Amerikaner ist 19,5, die der Europäer 38,25.
Statistik ist nicht alles
Wie wenig die statistischen Vorgaben bedeuten, zeigte zuletzt der Ryder Cup 2002 in England (der infolge der Terror-Anschläge vom 11. September 2001 um ein Jahr verschoben worden war): Den Europäern wurden damals noch weniger Chancen zugebilligt als jetzt, doch fügten sie den siegessicheren Gegnern mit 15,5:12,5 Punkten eine der bittersten Niederlagen zu.
Vor den zwölf Einzeln am Sonntag stand es 8:8. Dann griff Europas Captain Sam Torrance zu einer List: Er setzte die meisten seiner stärksten Matchplay-Spieler wie Colin Montgomerie, Sergio Garcia, Darren Clarke, Bernhard Langer, Padraig Harrington und Thomas Björn entgegen dem Usus in die ersten paar Partien und übertölpelte die Amerikaner. Aus den ersten sechs Duellen holten die Europäer 4,5 Punkte; dies konnten die spät startenden US-Cracks wie Woods, Mickelson und Love nicht mehr wettmachen.
Völlig anders war der vorletzte Ryder Cup 1999 in Boston (Massachusetts) verlaufen. Die europäischen Underdogs führten vor den Einzeln 10:6 und konnten schon den Champagner kaltstellen, ehe die Amerikaner mit einer beispiellosen Aufholjagd noch die Wende zum 14:5:13,5 schafften. Schon ein 14:14 hätte den Europäern zum "Sieg" gereicht, denn gemäss Reglement hätten sie als Gewinner der vorangegangenen Austragung den Cup mit einem Remis behalten dürfen.
Mit Ballesteros kam Spannung auf
In den ersten 22 Ryder Cups seit 1927 hatte die "europäische" Auswahl nur aus Briten und Iren bestanden; die Amerikaner gewannen 19 von 22 Mal -- und nicht selten haushoch. Die US-Dominanz wurde gegen Ende der Siebzigerjahre so krass, dass sich schliesslich selbst die Traditionalisten im Ryder-Cup-Komitee von der Notwendigkeit überzeugen liessen, ab dem Jahr 1979 auch die besten Golfer des europäischen Festlandes ins Team aufzunehmen.
Gerade der Spanier Severiano Ballesteros wurde hierauf die grosse Figur im Kontinentalwettkampf. Die Amerikaner erstarrten vor ihm und betrachteten ihn je länger, je mehr als unbesiegbar -- auch in den Doppeln, die "Seve" bis in die Neunzigerjahre mit seinem jüngeren Kumpel José Maria Olazabal bestritt. Von den zwölf Ryder Cups seit 1979 gewannen beide Teams sechs. Seit 1983 fiel die Entscheidung meist erst in den letzten Einzeln am Sonntag.
Hatte Langer ein 'Näschen'?
In der aktuellen Europa-Auswahl stehen neun Insel-Golfer und nur drei Spieler vom Festland (die Spanier Sergio Garcia und Miguel Angel Jimenez, der Franzose Thomas Levet). Captain Bernhard Langer hätte für ein ausgewogeneres Verhältnis sorgen können, wenn er seine zweite Wildcard (nebst der unbestrittenen Wahl Montgomeries) nicht dem Engländer Luke Donald übertragen hätte, sondern dem Deutschen Alex Cejka oder dem Schweden Fredrik Jacobson.
Aber vielleicht wird sich Langer schon am Sonntag für sein feines Näschen gratulieren lassen können: Donald gewann nur eine Woche nach dem ehrenvollen Aufgebot das European Masters in Crans-Montana und zeigte sich für den Ryder Cup bestens gerüstet.
Die Teams
USA: Tiger Woods (Jahrgang 1975/2. der Weltrangliste/8 Majorturnier-Siege/bisherige Ryder-Cup-Teilnahmen: 3), Phil Mickelson (1970/4./1/4), Davis Love (1964/6./1/4), Stewart Cink (1973/10./0/1), Jim Furyk (1970/11./1/3), Chad Campbell (1974/14./0/0), Kenny Perry (1960/16./0/0), Chris DiMarco (1968/17./0/0), David Toms (1967/22./1/1), Jay Haas (1953/23./0/2), Chris Riley (1974/40./0/0), Fred Funk (1956/59./0/0). -- Captain: Hal Sutton (neu).
Europa: Padraig Harrington (Irl/1971/8./0/2), Sergio Garcia (Sp/1979/12./0/2), Darren Clarke (NIrl/1968/15./0/3), Miguel Angel Jimenez (Sp/1964/20./0/1), Paul Casey (Eng/1977/27./0/0), Luke Donald (Eng/1977/36./0/0), Lee Westwood (Eng/1973/41./0/3), Thomas Levet (Fr/1968/43./0/0), Ian Poulter (Eng/1976/60./0/0), Colin Montgomerie (Scho/1963/62./0/6), Paul McGinley (Irl/1966/67./0/1), David Howell (Eng/1975/68./0/0). -- Captain: Bernhard Langer (De/neu).
(von Peter Lerch/Si)
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