Schluss mit Elektrobeats in der Via Felsenau

Allerdings handelt es sich bei der Via Felsenau um ein besonderes Wohnhaus. Nur deshalb war es wohl möglich, dass dort bis zu 27-mal pro Jahr an Wochenenden und Feiertagen bis in die frühen Morgenstunden hinein die Bässe dröhnten. Die Via Felsenau im gleichnamigen Berner Quartier ist nämlich ein Gebäude, das 1991 bis 1993 ausschliesslich für Wohngruppen gebaut wurde, konzipiert Ende der 1980-er Jahre während der Berner Jugendbewegung.

Der Verein «Berner Jugend baut» erstellte es mit Unterstützung eines Bauunternehmers auf Land der Stadt. Die Bewohner des Hauses packten beim Bau selber an. Die Tragkonstruktion besteht aus Holz und Beton, doch die Zwischenwände sind aus Lehm. Angeblich handelt es sich um Europas grösstes bewohntes Lehmhaus.

Der Raum, in dem bis Ende Jahr noch zwei letzte Technopartys stattfinden, war ursprünglich als Ort für multikulturelle Veranstaltungen gedacht. Aus diesen Anlässen - zuerst Discos mit Reggae und Jazz, dann mit immer mehr Funk - entwickelte sich ein Clubbetrieb, der in den Anfangszeiten unbewilligt war.

Nach einer zweijährigen Pause übernahm der Via Felsenau-Bewohner Simon Ragaz in Alleinregie den Betrieb des nunmehr bewilligten Lokals. Der gelernte Koch setzte voll auf elektronische Musik - seine Passion. Mit steigendem Erfolg: Der Berner Spinnereiweg wurde zur bekannten Adresse für Technoliebhaber aus der halben Schweiz.

Bekannte Grössen traten auf

Simon Ragaz versteht sich heute sowohl als Betreiber eines kommerziellen Clubs wie als Kulturveranstalter. «Ich habe es aus kommerzieller Sicht angepackt», sagt er. «Wir haben aber die elektronische Musikszene sicher mitgeprägt». In der Via Felsenau traten international bekannte Grössen wie Kraftwerk (D), Miss Kittin (F) und Roger Sanchez (USA) auf.

Der kommerzielle Technoclub in der alternativ-ökologischen Via Felsenau gefiel aber nicht allen dort Ansässigen. Etwa die Hälfte der rund 30 Bewohner begrüsse den Betrieb, der Leben ins Haus bringe, sagt Ragaz: «Die andere Hälfte flüchtet an den Partytagen.»

Seit der 34-Jährige vor drei Jahren das Genossenschaftshaus verlassen hat, scheint ihm auch die Akzeptanz der Partys gelitten zu haben. Jede und jeder, welche in der Via Felsenau wohnen will, musste aber bisher im Mietvertrag bestätigen, dass er oder sie mit den Musikbetrieb einverstanden ist.

Zukunft des Raums ist offen

Wie es nun im Untergeschoss der Via Felsenau weitergeht, ist offen. Vielleicht wird im Partyraum wieder ein Pingpongtisch aufgestellt, wie das laut Ragaz in den Anfangszeiten der Fall war.

Der Noch-Clubbetreiber kehrt zurück zu seiner zweiten Passion, dem Kochen. Er wird aber weiterhin einzelne Technopartys veranstalten - etwa in der Grossen Halle der Berner Reitschule, einem anderen «Kind» der Berner Jugendbewegung der 1980-er Jahre.

(Rainer Schneuwly/sda)