Sex ohne Kondom bei HIV könnte auf Missverständnis beruhen
Zürich - HIV-Infizierte verzichten seit 2009 immer häufiger auf Kondome beim Sex. Dies zeigt eine Schweizer Langzeitstudie auf. Schuld daran könnte eine missverstandene Entwarnung sein.
Der Kondomgebrauch blieb demnach zwischen 2000 und 2009 relativ konstant und nahm zwischen 2009 und 2013 in drei von vier untersuchten Gruppen markant ab. Diese vier Kategorien betreffen Sex ohne Kondom mit festem Partner respektive mit Gelegenheitspartnern bei homosexuellen Männern sowie heterosexuellen Paaren.
Rückgang um das Dreifache
Bei Homosexuellen hat sich seit 2009 der Anteil, der angab, bei Gelegenheitspartnern nicht immer ein Kondom zu benutzen, von rund 5 auf 15 Prozent verdreifacht. Am seltensten griffen heterosexuelle HIV-Infizierte beim Sex mit festem Partner zum Kondom: Jeder Dritte verzichtete auf den Gummi, 2009 war es noch jeder Fünfte gewesen.
Am häufigsten schützten sich Heterosexuelle beim Sex mit Gelegenheitspartnern. Trotz einer leichten Abnahme seit 2009 griffen 2013 noch über 97 Prozent in dieser Situation zum Kondom. Die Forscher berichten über die Resultate im Fachjournal «Open Forum Infectious Diseases». In der Schweiz leben zwischen 15'000 und 25'000 Menschen mit HIV und Aids.
Kondomfrei in stabiler Partnerschaft
Als wichtigen Grund für den starken Rückgang sehen die Forschenden das sogenannte Swiss Statement der Aids-Kommission von 2008. Dieses besagt, dass HIV-Infizierte, die erfolgreich mit antiretroviraler Therapie behandelt werden und in einer stabilen Beziehung leben, nicht infektiös sind und deshalb auf Kondome verzichten können.
«Obwohl diese Aussage nur für Patienten in festen Beziehungen galt, haben sich anscheinend auch HIV-Infizierte angesprochen gefühlt, welche nicht in festen Partnerschaften leben und seither öfter auf Kondome verzichten», erklärte Studienleiter und Infektiologe Huldrych Günthard vom Universitätsspital und der Universität Zürich in der Mitteilung.
Weniger Angst vor Aids
Die Forscher sehen weitere mögliche Gründe: Die Angst vor HIV in der Bevölkerung sinke, da wegen der neuen, äusserst erfolgreichen Therapiemöglichkeiten in den westlichen Ländern viel weniger Menschen an Aids sterben. Auch sei die Verhütung mit Kondomen früher mehr im Fokus der präventiven Aids-Kampagnen gestanden als heute.
Die Forscher vermuten, dass der nachlässige Umgang mit dem Gummi dazu beigetragen hat, dass die Zahl Neuansteckungen mit HIV trotz zahlreicher Präventionsmassnahmen nur langsam zurückgeht. Gleichzeitig nahmen Neuansteckungen mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten wie Syphilis, Gonorrhoe oder Chlamydien zwischen 2009 und 2013 zu - was ebenfalls mit der geringeren Verwendung von Kondomen zusammenhängen könne.
Seit 1988 erfasst und erforscht die Schweizerische HIV-Kohortenstudie (SHKS) verschiedene Daten von HIV-Infizierten in der Schweiz. Innerhalb dieser Studie haben die Forschenden die Daten zur Kondomverwendung zwischen 2000 und 2013 ausgewertet. Dazu wurden über 12'000 HIV-Infizierte halbjährlich befragt.
Weltweit gehört Aids mit eineinhalb Millionen Toten jährlich nach wie vor zu den gefährlichsten sexuell übertragbaren Krankheiten. Verursacht wird sie durch eine Infektion mit dem HI-Virus, die über den Kontakt mit Körperflüssigkeiten, wie beispielsweise Sperma und Blut, übertragen wird.
(flok/sda)
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