«Skol auf einen Mörder»

publiziert: Sonntag, 11. Sep 2005 / 14:27 Uhr / aktualisiert: Sonntag, 11. Sep 2005 / 14:55 Uhr

Bern - Das Stadttheater Bern hat die Saison im grossen Haus gleich mit einem Highlight eröffnet.

Das Stadttheater in Bern.
Das Stadttheater in Bern.
Barbara-David Brüesch inszenierte eine opulente Version von Thomas Vinterbergs kargem Dogma-Film «Das Fest».

Hotelier Helge weiss, wie man Feste feiert. Und sein 60. Geburtstag soll besonders schön werden. Alle Kinder sind da - ausser Linda, die sich umgebracht hast. Dazu ein Dutzend Gäste in Pelz und Klunkern, standesgemäss untergebracht und von einer devoten Dienstbotenschar mit auserlesenen Speisen verköstigt.

Und schon bei der Hummersuppe passiert, was das Fest in der Tat unvergesslich machen könnte: Der ältere Sohn Christian enthüllt in seiner Tischrede, dass der Vater ihn und seine verstorbene Zwillingsschwester jahrelang sexuell missbraucht hat.

Sühne-Strudel

Erst erstarrt die Gesellschaft kurz zum Standbild, dann geht man zum Courant normal über: launige Reden, muntere Plaudereien, Speis und Trank, Gesang und Tanz. Der Junge sei halt schon als Kind phantasievoll gewesen.

Doch wie ein dissonanter Refrain schiebt sich immer wieder das Skandalon in den rituell munteren Festablauf: Schwester Helene (eine chargierende Grazia Pergoletti) hat ein Dokument gefunden, das Christians Darstellung stützt. Aber dem Familienfrieden zuliebe hält sie es zurück. Der daraus resultierende Stress bringt sie fast um den Verstand.

Gerade hat sich fast alles wieder beruhigt, da prostet Christian dem Vater zu: «Skol auf einen Mörder». Die Risse im Lack sind immer schwieriger zu kitten: Die Abreise der Gäste kann nur mit List verhindert werden.

Und der «Toastmaster» (einmal mehr hervorragend Uwe Schönbeck) hat alle Hände voll zu tun, Betretenheit in der Gästeschar mit Animationen - etwa einer Polonaise - zu verhindern. Doch zumindest in der Familie ist das Sühnegeschehen nicht aufzuhalten.

Grotesk

Während Vinterberg, den «Dogma»-Regeln konform, eine wirklichkeitsnahe Filmsprache benutzte, akzentuiert die Bündner Regisseurin Brüesch das schon im Film angelegte Groteske.

Der Einzug der Geladenen etwa erinnert an eine karnevaleske Parade. Die Dienerschaft bewegt sich wie eine Marionettenbrigade und die seltsamen Typen aus dem Film werden auf der Bühne Karikaturen - am herrlichsten Hubert Kronlacher als seniler Opa.

Zwei Stücke in einem

Dazu kommen verfremdende Mittel wie das Erstarren der Gäste zum Standbild, während zwei Leute miteinander reden. Auch Zeitlupe und Zeitraffer kommen vor.

Dadurch entsteht der Eindruck von zwei Sorten Menschen: Auf die, die sich weiterhin «normal» bewegen, kommt es an. Die anderen sind bloss Staffage.

So gibt es gleichsam zwei Stücke mit je eigenem Tempo: Das eine - der gesellige Festablauf - ist farbig und belanglos, das andere - das Familiendrama - ein düsteres psychologisches Kammerspiel.

Luxuriös besetzt

Diese Doppelung ist auch im Bühnenbild (Damian Hitz) angelegt: Eine riesige Fensterfront teilt die Bühne in Vorplatz und Interieur. Das noble Hausinnere ist vollumfänglich sichtbar, aber es wirkt gleichzeitig wie im Schaufenster und wie hinter Gittern. Die Familie ist also gegen aussen repräsentativ, gegen innen klaustrophobisch. Das ist unerhört stimmig.

Die Livemusik (Strøm) und die (original dänischen) Gesangseinlagen tragen ebenfalls zum Gelingen bei. Ganz besonders aber tut dies das Ensemble, das mit 25 Schauspielern, davon 16 mit Sprechrollen, ungewöhnlich gross ist.

Und ungewöhnlich gut: Dass Matthias Brambeer (Helge) weniger Applaus bekam als der ebenfalls überzeugende Nils Torpus (Christian), lag an seiner undankbaren Rolle des Kinderschänders. Wie er es aber fertigbrachte, vom souveränen Familientyrannen zum glaubwürdig Reumütigen zu mutieren, das war schon imposant.

(Irene Widmer, sfd)

 
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