Sündenböcke gesucht

publiziert: Donnerstag, 23. Okt 2008 / 11:32 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 3. Mrz 2009 / 08:54 Uhr

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Die Empörung in der Schweiz ist gross – und auch berechtigt. Wenn man, obwohl man sich an internationale Verträge hält, praktisch als Schurkenstaat hingestellt wird, dann tut das weh.

Besonders wenn man diese dicke Post vom Finanzminister des wichtigsten Handelspartners erhält. Im Zentrum steht dabei immer noch die weltweit einzigartige Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug, die es – mit der Ausnahme USA – für ausländische Behörden äusserst schwierig macht, in diesen Fällen Rechtshilfe von der Schweiz zu bekommen.

Noch kann die Schweiz ihr Bankgeheimnis dank ihrer heimlichen Verbündeten in der EU, Luxemburg und Österreich, aufrecht erhalten. Doch wie lange noch? Bis jetzt diente die Schweiz diesen beiden Staaten als Ausrede, ihre Praktiken unverändert weiter zu führen. Luxemburg und Österreich waren wiederum die Rechtfertigung für die Schweiz, am Status Quo fest zu halten.

Doch Luxemburg wankt. Wenn dieser Kleinstaat kippt, dann dürfte auch Österreich wackeln. Und dann ist es fertig lustig für die Schweizer Bankenindustrie in dieser Hinsicht. Diese Gefahr könnte langfristig grösser sein, als die momentane Krise. Und genau wie diese ist auch dieses Problem vorhersehbar und wird mit Sicherheit eintreten, ein Szenario, auf das sich die Schweizer Banken vorbereiten müssen. Davon darf auch nicht ablenken, dass Finanzminister Peer Steinbrücks Ausfälle zu einem guten Teil Wahlkampfrhetorik und Populismus sind. Diese Tatsachen machen die Angelegenheit allenfalls etwas weniger dringlich.

Doch die Unruhe über den rüden Ton geht tiefer. Wenn das Wort «Peitsche» fällt – und sei es auch nur im Zusammenhang mit dem sprichwörtlichen Zuckerbrot, dann steigt fundamentales Unbehagen auf. Denn es wird daraus offensichtlich, dass sich hier ein Politiker auf einer höheren Ebene wähnt als das angeklagte Subjekt, muss man ja den Empfänger von solcher Rhetorik als solches betrachten. Denn einem respektierten Partner droht man weder mit der Peitsche noch verspricht man diesem ein Leckerli, um mit ihm auf ein Übereinkommen zu gelangen.

Im momentanen, krisenbehafteten Umfeld werden die Bandagen eindeutig härter und «Freundschaften» neu bewertet. Das Geld ist knapper geworden, die Zukunft unsicherer und die Wähler wollen überall die riesigen Probleme gelöst bekommen. Da ist es für Politiker natürlich attraktiv, simple Feindbilder aufzubauen und diesen die Schuld an dem ganzen Schlamassel anzuhängen. Hilfreich dabei ist es, wenn diese Feindbilder nur einen ganz kleinen Ausschnitt der Bevölkerung umfassen oder – noch besser – gleich im Ausland sitzen.

Dies ist zum einen bequem, lässt einen stark und entschlossen erscheinen und bringt Stimmen. Zum anderen lenkt es von eigenen Problemen ab. Besonders verwundbar für solche Angriffe sind Einzelgänger. Genau wie in der Schule, wo solche Individuen vielfach Opfer unfairer Attacken werden, ist es auch in der Politik. Und die Schweiz ist nun mal Einzelgänger, ganz egal, wie sehr sie sich auch mit dem Rest Europas und der Welt zu arrangieren versucht.

Die Schweiz und die Schweizer sollten sich in nächster Zeit ein dickes Fell zulegen, denn es wird weiterhin heiss zu und hergehen – die Krise ist noch lange nicht ausgestanden und der Bedarf für Sündenböcke wird so bald nicht abreissen.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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