Susan Sarandon, die unbequeme Streiterin

Man kennt die Schauspielerin, doch ungleich bekannter ist sie als Aktivistin, unbequeme Kritikerin oder als Streiterin für soziale Anliegen. Man kennt die Schauspielerin von der Leinwand, natürlich. Doch ungleich bekannter ist sie als Aktivistin, als unbequeme Kritikerin, als Streiterin für soziale Anliegen. So zerfiel auch ihre Pressekonferenz in Locarno von heute Mittag in zwei Teile: In den einen Teil mit den gefälligen Fragen und den Antworten, die sie wohl schon oft gegeben hat.

Und in den zweiten, ungleich interessanteren Teil, in dem die Künstlerin Susan Sarandon sich in die politische Kraft Susan Sarandon verwandelte, und sich mit Inbrunst gegen George W. Bushs Politik heiser redete. Selbst ihre Stimme und Sprechweise veränderte sich, so, als ob ihre Kunst nicht diesselbe seriöse Aufmerksamkeit verdiente wie ihre politischen Ansichten.

Sogar den Papst erreicht

Dabei weiss die Sarandon sehr gut um die Sprengkraft des Mediums Film. "Respect the power of film", sagte sie: Man darf die Wirkung eines Films nicht unterschätzen. Sie mag in einigen belanglosen Filmen mitgewirkt haben, vor allem zum Anfang ihrer Karriere, als sie noch experimentierte.

Doch spätere Werke - "Dead Man Walking" sticht vor allem heraus - haben bewiesen, dass ein Werk der Leinwand die Welt verändern kann - oder zumindest die Diskussion anheizen. Der erwähnte Film zur Frage der Todesstrafe erreichte nicht nur Millionen, sondern sogar den Papst, der danach eine vergleichsweise stärkere Stellung gegen die "rechtmässige" Tötung von Verurteilten einnahm.

An einer Oscarverleihung kündigte Whoppie Goldberg sie einmal mit den Worten an: "Mal sehen, worüber sie heute gerade bepisst ist." Es stimmt: Susan Sarandon ist bekannt dafür, eine leidenschaftliche Kritikerin zu sein - nicht nur an der Politik ihres Landes, sondern überall auf der Welt, und auch als Nestbeschmutzerin ihrer eigenen Industrie.

Anerkennung ihrer Kritik

Manchmal überschneiden sich ihre Tätigkeitsgebiete freilich: "In Amerika dürfen offenbar nur schlechte Schauspieler Präsident oder Gouverneur werden." Solche Attacken gegen das rechte Amerika ernteten ihr in Locarno Anerkennung und sogar den Applaus der ansonsten doch mit solchen Sympathiebekundungen eher zurückhaltenden Medienmenschen. Sie muss sich wohl gefühlt haben, bei uns - in ihrem eigenen Land wird sie von den Medien gescholten, von den Talkmastern angegriffen, von den Studios auf schwarze Listen gesetzt, ja man hat sie gar mit Bin Laden auf diesselbe Titelseite gedruckt (das ist das einzige Mal der anderhalbstündigen Konferenz, wo ihre Stimme nicht fest ist).

Amerikanische Medien gehören Konzernen, ebenso wie die grossen Studios. Das dürfte mit ein Grund sein, warum sie kaum im Mainstream-Kino auftritt und ihre Zeit lieber den furchtlosen "Independents" schenkt. Schauspieler und Gewerkschaften kuschen, fürchten um ihre Jobs, wenn sie den Mund zu weit aufmachen. Susan Sarandons Massstab ist ein anderer: "Ich muss irgendwann meinen Kindern sagen können, dass ich zumindest versuchte, etwas zu ändern."

(Roland Schäfli, Locarno /news.ch)