Intellektuelle fordern Verfahren vor jugoslawischem Gericht
Tauziehen um Milosevic
publiziert: Sonntag, 8. Apr 2001 / 13:35 Uhr
Belgrad/Wien - Nach der Festnahme von Slobodan Milosevic wird in Jugoslawien heftig darüber diskutiert, ob der Ex-Präsident an das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert werden soll.
Innerhalb der Regierungskoalition DOS ist eine Mehrheit dafür,
Milosevic zunächst einen Prozess in Belgrad wegen Korruption und
Amtsmissbrauchs zu machen. Viele schliessen eine spätere
Zusammenarbeit mit Den Haag zwar nicht aus, würden Milosevic aber
auch bei einem allfälligen Prozess wegen Kriegsverbrechen lieber in
Belgrad vor Gericht sehen.
So versucht etwa Präsident Vojislav Kostunica dem Druck des Westens nach einer sofortigen Überstellung von Milosevic mit dem Argument zu begegnen, dass ein Prozess in Belgrad für die Vergangenheitsbewältigung der Serben und die Entwicklung der Demokratie entscheidend wäre. Zudem bestünde im Falle eines Prozesses in Den Haag die Gefahr einer neuen Legenden-Bildung. Ein «Mythos von Milosevic als nationalem Helden» könnte entstehen. Kostunica und Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic betonen, Milosevic müsse zuerst den serbischen Bürgern erklären, wie er sie jahrelang manipuliert und beraubt habe, während sie unter katastrophalen sozialen und ökonomischen Bedingungen leben mussten.
Milosevics Sozialisten, die Jugoslawische Linke seiner Ehefrau Mira Markovic, die Serbische Radikale Partei von Vojislav Seselj sowie kleinere rechtsnationale Parteien sprechen sich hingegen klar gegen eine Auslieferung des Ex-Präsidenten aus. Das UNO-Tribunal sei kein Gericht, sondern eine «politische und antiserbische Einrichtung». Eine Auslieferung von Milosevic würde einem «Verkauf» an den Westen gleichkommen und den «nationale Stolz» der Serben untergraben.
Auch bekannte jugoslawische Intellektuelle befürworten einen Prozess in Belgrad. Die Verbrechen des Milosevic-Regimes müssten national geahndet werden. Dies sei für die Vergangenheitsbewältigung und die Zukunft Serbiens von Bedeutung. So plädierte der in Wien und Belgrad lebende Schriftsteller und jahrelange Dolmetscher des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Josip Broz Tito, Ivan Ivanji, bereits 1997 im Band «Verschwiegenes Serbien» dafür, dass aus der «eigenen» Nation stammende Verbrecher von «eigenen» Gerichten auf Grund «eigener nationaler Gesetze» verurteilt werden müssten. Sonst sei eine «Dolchstosslegende bei den Serben» gewiss. «Revanchismus schlägt Wurzeln und treibt eines Tages wieder blutige Blüten». Von Frieden und Stabilität in Südosteuropa könne erst gesprochen werden, wenn die Staaten eine Rechtsordnung etablieren, in der die Verurteilung von Kriegsverbrechern eine Selbstverständlichkeit und keine auswärtige Assistenz dafür notwendig sei. Das Haager Tribunal nennt Ivanji dagegen «ein Politikum und keine Rechtspflege». Ähnlich denkt der kroatische Philosoph und Historiker Drago Roksandic. Das serbische Volk müsse der eigenen Geschichte ins Antlitz blicken, fordert er. «Je mehr Verfahren den nationalen Gerichten überantwortet werden können, desto besser für die Zukunft einer stabilen Demokratie in einem Lande, das sich den eigenen Verbrechen stellen muss».
So versucht etwa Präsident Vojislav Kostunica dem Druck des Westens nach einer sofortigen Überstellung von Milosevic mit dem Argument zu begegnen, dass ein Prozess in Belgrad für die Vergangenheitsbewältigung der Serben und die Entwicklung der Demokratie entscheidend wäre. Zudem bestünde im Falle eines Prozesses in Den Haag die Gefahr einer neuen Legenden-Bildung. Ein «Mythos von Milosevic als nationalem Helden» könnte entstehen. Kostunica und Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic betonen, Milosevic müsse zuerst den serbischen Bürgern erklären, wie er sie jahrelang manipuliert und beraubt habe, während sie unter katastrophalen sozialen und ökonomischen Bedingungen leben mussten.
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(sda)
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