Si. Die Voraussetzungen für einen Hingis-Sieg haben sich in den
letzten Tagen vor dem Turnier verbessert. Mit Venus Williams
(übermüdet) und Mary Pierce (seit dem US Open verletzt) sagten jene
zwei Spielerinnen ab, gegen die Hingis an den letzten Grand-Slam-
Turnieren ausgeschieden ist. Gegen Pierce verlor die 20-jährige
Trübbacherin im Roland-Garros-Halbfinal, gegen Venus Williams
unterlag sie in den Halbfinals von Wimbledon und Flushing Meadows.
Als «Ersatz» für Williams rückte Lindsay Davenport ins Feld
nach. Davenport, die Australian-Open-Siegerin (6:0, 7:5 im Final
gegen Hingis) und Finalistin von Wimbledon und US Open, hat als
Einzige der Kloten-Starterinnen heuer gegen Hingis schon gewonnen.
In den Direktbegegnungen gegen Hingis führt sie mit 11:9. Ausserdem
hat die Amerikanerin das Zürcher Turnier bei ihren einzigen
Teilnahmen 1997 und 1998 ohne Satzverlust gewonnen. Den letzten
direkten Vergleich Ende März auf Key Biscayne gewann allerdings
Martina Hingis 6:3, 6:2 -- nachdem sie zuvor fünfmal in Folge
verloren hatte.
Für Davenport spricht in Kloten, dass das Heimturnier Martina
Hingis bislang nicht viel Glück gebracht hat. Vor vier Jahren
verlor Hingis als Favoritin den Final gegen Jana Novotna, 1997
schied sie schon im Viertelfinal gegen Lisa Raymond aus, 1998
musste Hingis wegen einer Bänderüberdehnung passen, und im letzten
Jahr fügte ihr Venus Williams im Final eine bittere Niederlage zu.
Für Hingis spricht, dass Davenport nicht zu hundert Prozent fit
sein dürfte.
In Sydney bei Olympia musste Davenport nach der 1. Runde
aussteigen (Knöchelverletzung). Die Befürchtungen eines
Ermüdungsbruches bestätigten sich zwar nicht, trotzdem wollte
Davenport ihr Comeback ursprünglich erst in der dritten Oktober-
Woche in Linz geben. Nach der Williams-Absage sagte sie für Zürich
doch noch zu -- und wahrte damit ihre Chance, bis Ende Jahr Hingis
als Nummer 1 der Welt ablösen zu können. Derzeit beträgt Davenports
Rückstand in der Weltrangliste nahezu 600 Punkte. Die Amerikanerin
hat jedoch in Kloten im Gegensatz zu Hingis keine Punkte zu
verteidigen.
Hingis und Davenport sind nächste Woche im Klotener Schluefweg
nicht die einzigen Attraktionen. Zwar befindet sich nach den
Absagen von Williams, Pierce und Anke Huber mit Nathalie Tauziat
(WTA 7) bloss noch eine dritte Vertreterin der Top Ten am Start,
für Spektakel und Augenschmaus garantieren dafür die als Nummer 4
gesetzte Anna Kurnikowa (WTA 12), die wiedererstarkte Jennifer
Capriati (WTA 14) sowie die Entdeckungen Jelena Dementjewa
(Russ/17) und Jelena Dokic (Au/WTA 33). Dementjewa reist mit den
Referenzen vom US-Open-Halbfinal und dem Einzel-Silber von Sydney
nach Zürich. Und Dokic (Vierte in Sydney), die auch wegen ihres
exzentrischen Vaters immer wieder in die Schlagzeilen kommt, ist
neben Davenport die einzige Spielerin in Zürich, die gegen Martina
Hingis nicht eine negative Bilanz aufweist (1:1).
Die Organisatoren um OK-Präsident Beat Ritschard können mit
diesem Spielerinnenfeld gut leben. Zwar garantiert die WTA-Tour den
Tier-1-Turnieren wie Kloten fünf Top-Ten-Vertreterinnen, doch schon
früh zeichnete sich ab, dass die Olympischen Spiele für die
europäischen Hallenturniere ein Problem darstellen. «Wir sind von
unserem Feld sicher nicht begeistert, aber wir sind auch nicht
frustriert», so André Glauser im Namen der Organisatoren. Im
Vergleich mit Filderstadt schneidet die Swisscom Challenge sogar
gut ab. In der Stuttgarter Agglomeration startete diese Woche von
den Top 6 einzig Hingis. Und die Leistungsdichte in Kloten ist
bemerkenswert. Am Freitag rutschte die Luxemburgerin Anne Kremer
(WTA 35) als letzte Spielerin ins 28-er-Hauptfeld.
Entsprechend viel hängt für die weiteren Schweizerinnen Patty
Schnyder (WTA 25) und Emmanuelle Gagliardi (WTA 83) sowie für die
mit einer Wildcard ausgestatteten Junioren-Weltmeisterin Lina
Krasnorutskaja (16-jährig/WTA 121) von einer günstigen Auslosung
ab. Die Draw heute Samstagmittag und die Anreise-Wege der
Spielerinnen werden an den ersten Tagen den Spielplan mitbestimmen.
Vorgesehen ist jedoch, dass Patty Schnyder ihr erstes Spiel am
Montag bestreiten soll. Martina Hingis wird wenn möglich ihre
ersten Einzel am Dienstag und Donnerstag spielen. Für Freitag und
Samstag ist der Schluefweg bereits nahezu ausverkauft. Das erste
Abendspiel (jeweils ab 18.30 Uhr) wird vom Schweizer Fernsehen auch
ohne Schweizer Beteiligung jeden Tag live übertragen.
(sda)