Top-Noten für Rostlauben

publiziert: Freitag, 30. Apr 2010 / 11:50 Uhr / aktualisiert: Freitag, 30. Apr 2010 / 12:20 Uhr

Stellen Sie sich vor, Sie wollten ein Auto verkaufen, weshalb Sie es zu einer technischen Überprüfung bringen. Sie wissen dabei ganz genau, dass diese Karre eine völlige Krücke ist.

Die Bremsen funktionieren nicht, der Motor leckt Öl, Rost blüht an allen Ecken und Enden. Allerdings sind Sie der Auftraggeber der Prüfung. Und weil Sie viele solche Autos immer wieder zum testen bringen und auch gut dafür bezahlen, bekommt jede der Schrottlauben eine Spitzenbewertung. Diese wird auf dem Armaturenbrett in einer kleinen Anzeige dargestellt: AAA. Der Käufer des Autos vertraut der Anzeige blindlings. Weder der durch die morschen Türgummis eindringende Regen, noch das Rumpeln der Hinterachse können ihn beeindrucken. Doch dann bricht eines der Autos mitten auf der Autobahn auseinander.

Als Reaktion stuft die Prüf-Firma die Sicherheit aller geprüften Autos schlagartig herunter. Plötzlich sehen ihre Kunden (und jene anderer Autoverkäufer, die ähnlich schlechte Wagen für den Verkauf zertifizieren liessen), dass sie nicht in AAA-Top-Karrossen, sondern in fahrenden CCC-Wracks sitzen. Auch alle schon geprüften aber noch nicht verkauften solchen Autos erfahren die Herabstufung. Der Markt mit Rostlauben bricht zusammen. Aber ebenso der restliche Automarkt, da eine Unzahl herabgestufter Rüben zum Verkauf angeboten werden und das Angebot die Nachfrage bei Weitem überschreitet.

Die Prüf-Firma, die ihre Bewertung vor allem als Indikator dafür sieht, was ein Auto für den Käufer wert hat, stuft, weil ein Überangebot herrscht, nun auch noch alle technisch guten Autos herunter. Nun bricht endgültig Panik aus. Der Markt kracht zusammen. Alle glauben, ihr Auto könnte jederzeit explodieren oder auseinander brechen und steigen auf die Eisenbahnen um. Die Tankstellen gehen pleite und der Markt liegt für Jahre am Boden. Als dieser sich aber erholt, geht es genau gleich weiter.

Das Beispiel mag absurd scheinen, aber es kommt in etwa hin, wenn man die Praktiken der grossen Ratingagenturen betrachtet, jener Agenturen, die beim Aufblähen der Sub-Prime-Blase fleissig mit gepumpt und profitiert haben. Sie verloren auch nichts, als das ganze Kartenhaus einbrach.

Die Fehlbewertungen der strukturierten Papiere war damals auch den Ratingagenturen selbst bekannt. Ein Angestellter liess sich darüber aus, dass sie sogar Investmentvehikeln «die von Kühen zusammen gestellt wären» Bewertungen gäben. Auch die Tatsache, dass die Lehman-Brothers-Bank am Tag vor deren Kollaps noch die Höchstwertung für Bonität bekommen hatte, lässt an der Gewissenhaftigkeit der Rating-Firmen Zweifel aufkommen.

Doch dies hat scheinbar nichts daran geändert, dass Standard & Poor's, Finch und Moody's immer noch jene Firmen sind, die auch jetzt wieder über das Wohl und Wehe von Griechenland und den anderen Problemländern Europas richten. Die Kriterien sind wiederum nebulös und der Effekt der «Verramschung» von Griechenland desaströs, ja, sie könnte zu einer selbst-erfüllenden Prophezeiung werden, da jede Verschlechterung des Ratings den Kollaps wahrscheinlicher macht.

Doch das eigentliche Problem ist nicht das Rating an sich – wenn etwas Schrott ist, muss es auch als Schrott bezeichnet werden dürfen – sondern die Frage, wie neutral und objektiv die Rating-Firmen wirklich sind. Die Leistungen bei der Subprime-Krise lassen einen durchaus berechtigt daran zweifeln, wie zutreffend die nun gemachten Zurückstufungen wirklich sind.

Doch gibt es Alternativen? Die Rede ist von einer unabhängigen Rating-Behörde, wobei schon die beiden Worte «Unabhängig» und «Behörde» im selben Satz kombiniert surreal erscheinen. Vielleicht wäre es ja schon ausreichend, wenn die Bewertungen nicht direkt von den Herausgebern der Papiere, sondern von der betreffenden Börse in Auftrag gegeben würden.

Doch dies würde bei den bestimmenden Kräften im Markt, den grossen Investment-Banken nicht gut ankommen. Eine ehrliche Bewertung von Produkten, von denen kein Mensch weiss, wofür sie eigentliche gut sind, ja, wie sie überhaupt funktionieren, würde ganze Segmente des Wertschriftenmarktes lahm legen oder gar zum Kollaps bringen.

Die Rating-Agenturen und die Banken brauchen einander, wenn Sie weiterhin wachsen und den Markt kontrollieren wollen. Die ganze schöne Welt der Extrem-Boni, des Eigenhandels und der Schaffung neuer Märkte, deren Fundament die statischen Eigenschaften von Marshmallows hat, wäre damit vorbei.

Um dies zu ändern, wäre ein grundsätzlicher Systemwechsel nötig. Doch danach sieht es im Moment und in naher Zukunft noch nicht aus.

Naja, solange Standard & Poor's nicht die Aufgabe der MFK übernimmt, dürften wir wenigstens noch vor explodierenden Autos sicher sein.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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