«Tschernoshima» und Klimawandel - Sehen wir die Warnzeichen?

publiziert: Mittwoch, 11. Mai 2011 / 17:15 Uhr
Andreas Fischlin ist Professor für Systemökologie an der ETH Zürich.
Andreas Fischlin ist Professor für Systemökologie an der ETH Zürich.

Der April 2011 war um 3.5-5.5°C zu warm, um etwa 75 % zu trocken und rund 50 % zu sonnig. Ist das ein Warnzeichen bezüglich Klimawandel?

1 Meldung im Zusammenhang
Weiterführende Links zur Meldung:

IPCC-Bericht, 2007
Link zum pdf (englisch)
www.ipcc.ch

IPCC-Bericht, 2007
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www.ipcc.ch

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KlimawandelKlimawandel
Obwohl der April 2007 etwas wärmer war, wurden seit Messbeginn noch nie so früh im Jahr Sommer- und Hitzetage beobachtet. Ein solcher April passt zu den erwarteten Auswirkungen des Klimawandels und kann deshalb als Warnzeichen dessen, was noch auf uns zukommen könnte, gedeutet werden. Ein Beweis für den Klimawandel sind ein einzelner Monat, ein Hitzesommer oder ein Hochwasser aber nie.

Vorbeugen ist besser als Heilen

Extrem seltene, zum Klimawandel passende Wetterereignisse haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Der Sommer 2003 war ein 4-Millionen-, der April 2007 ein 18-Tausend-, der Herbst 2006 ein 6-Tausend-, der Juli 2006 ein 1.5-Tausend, der April 2011 ein 1-Tausendjahrereignis. Für mich bedeutet diese Häufung in einem einzigen Jahrzehnt bezüglich Klimawandel Alarmstufe Rot. Doch sehen wir diese Zeichen? Deuten wir sie richtig?

Als Reaktion auf den diesjährigen April wurde viel und Richtiges getan: Fische wurden umgesiedelt und der Bauernverband lanciert einen Vorstoss zur Regelung des Wasserverbrauchs und finanzieller Abfederung der Schäden. Aber was mir fehlt, ist ein ebenso dringlicher Appell des Bauernverbandes, weiteren Klimawandel unbedingt zu vermeiden. Denn dieser April ist wohl erst ein Vorgeschmack auf das, was noch auf uns zukommt, wenn wir nicht endlich beginnen, diese Ereignisse besser zu deuten. Vorbeugen ist besser als Heilen, das gilt auch für den Klimawandel.

Energiepolitik ist immer auch Klimapolitik

Doch der Klimawandel ist momentan nicht das einzige Thema, das mich nachdenklich stimmt. Auch bezüglich Energiepolitik haben wir uns in eine höchst bedenkliche Zwangslage hineinmanövriert. Vor 25 Jahren geschah das Reaktorunglück in Tschernobyl. Es hat nicht zum Atomausstieg, aber zu einem Ernstnehmen der Umweltproblematik beigetragen. Die diesjährige Reaktorenhavarie von Fukushima lässt nun den Bundesrat den Atomausstieg erörtern.

Ich bin kein Freund der Atomenergie, dennoch anerkenne ich, dass sie einen unverzichtbaren Bestandteil des heutigen Energiemixes darstellt. Doch wie soll der zukünftige Energiemix aussehen? Das anzustrebende Klimaschutzziel ist durch die Völkergemeinschaft festgelegt, die Erwärmung soll auf maximal 2°C gegenüber vorindustriellem Klima begrenzt werden ¹ . Im letzten IPCC-Bericht findet sich die hoffnungsstiftende Kernaussage, dass dieses Ziel noch erreichbar sei (IPCC, 2007). Doch wird hierbei gerne übersehen, trotz Machbarkeit bedeutet dieses Ziel grösste Anstrengungen und einschneidende Änderungen. Zudem wurde in diesen IPCC-Szenarien angenommen, dass die Kernenergie eine leicht zunehmende, nicht abnehmende Rolle spielt.

Auch ein unwahrscheinliches Ereignis kann eintreten

Die Tragik von Tschernoshima hat uns gezeigt, dass auch sehr unwahrscheinliche Ereignisse eintreten können. Nach jetzigem Wissensstand ist es - vorsichtig geschätzt und ausgedrückt - sogar wahrscheinlich (Eintretenswahrscheinlichkeit zwischen 66 % und 90 %), dass sich bei ungebremstem Fortsetzen des Treibhausgas-Ausstosses ein unumkehrbarer, folgenschwerer Klimawandel einstellt. Ein katastrophaler Klimawandel hingegen, der z. B. heute bewohnbare Regionen grossflächig in Wüsten verwandelte, ist sehr unwahrscheinlich (Eintretenswahrscheinlichkeit unter 10 %).

Doch: Warum sind viele so sicher, dass der sehr unwahrscheinliche katastrophale Klimawandel nicht eintreten wird? Ich bin es nicht, denn Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima sind Realität, auch wenn sie noch weit unwahrscheinlicher waren!

Natürlich müssen globale Risiken nicht nur bezüglich

Eintretenswahrscheinlichkeit, sondern auch bezüglich Auswirkungen bewertet werden. Wenn ich das tue, stufe ich persönlich den Klimawandel insgesamt als die grössere Gefahr für unser Wohlergehen ein als die Atomenergie, trotz all des unglaublichen menschlichen Elends, das die Tschernoshima angerichtet haben! Obwohl bestimmt viel sicherer für die Anwohner, stellen deshalb meines Erachtens Gaskraftwerke als Ersatz für Atomkraftwerke ein unannehmbar grosses Risiko für die gesamte Menschheit dar. In was für ein grässlich unmenschliches Dilemma haben wir uns hineinmanövriert!

Atomenergie und Klimawandel haben viel gemeinsam

Lauter Anzeichen von auf uns zukommenden Problemen, deren Warnungen jedoch zu oft übersehen und fahrlässig auf die lange Bank geschoben werden. Warum beharre ich so darauf, dass wir Warnzeichen rechtzeitig und genügend ernst nehmen? Weil ich glaube, dass unsere menschlichen Fähigkeiten, die Naturkräfte immer in der gewünschten Art kontrollieren zu können, begrenzt sind! Tschernoshima und der Klimawandel haben vieles gemeinsam: Sind Naturkräfte einmal freigesetzt und entfesselt, sei es Radioaktivität oder Erwärmung, so bleibt uns nur noch, die Schäden zu begrenzen. Soweit sollten wir es deshalb gar nie kommen lassen.

Wir müssen deshalb die Warnzeichen der Klimaerwärmung und der verfahrenen Energiepolitik richtig deuten und endlich lernen entsprechend frühzeitig zu handeln. Wie viele zu warme Aprilmonate braucht es noch? Wann endlich beginnen wir neben dem Atomausstieg den noch dringlicheren Ausstieg aus dem Klimawandel ernsthaft zu erörtern? Erst wenn die halbe Welt zur «Sperrzone» erklärt werden muss?

¹ Dies wurde anlässlich der letzten Klimakonferenzen Ende 2009 in Kopenhagen und Ende 2010 in Cancun, Mexico beschlossen.

(Prof. Andreas Fischlin/ETH-Zukunftsblog)

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