Die Türkei hat zwei Jahre nach dem erstmaligen Vordringen in die
EM-Viertelfinals auch an der WM die Runde der letzten acht
erreicht, in der sie am Samstag in Osaka auf Senegal treffen wird.
«Wir haben gezeigt, zu was wir fähig sind, wenn sich alle dem
Kollektiv unterordnen und Disziplin einhalten», konstatierte
Trainer Senol Günes, der ehemalige Torhüter von Trabsonspor und der
Nationalmannschaft. «Man macht einen Fehler, wenn man uns
unterschätzt. Besonders wenn wir gefordert werden, spielen wir
guten und erfolgreichen Fussball.»
Die Partie wurde früh in entscheidende Bahnen gelenkt. Als
Ergün, der für den gesperrten Emre Belezoglü in die Mannschaft kam,
einen Corner in die Mitte zog, stieg der bei Milan spielende Ümit
Davala unbedrängt hoch und nickte den Ball aus sieben Metern
unhaltbar ins Netz. Die Japaner hatten sich zu sehr auf Türkeis
Captain und (an der WM noch erfolglosen) Topskorer Hakan Sükür
konzentriert.
Das frühe Tor bestimmte die Physiognomie der ganzen Partie, die
zwar spannend, aber keineswegs gut oder gar spektakulär war. Die
flinken Asiaten, frenetisch unterstützt von 45 666 Zuschauern,
kombinierten gefällig, waren weit häufiger in Ballbesitz, rannten
aber konzeptlos und deshalb vergeblich an. Der Co-Gastgeber besass
eigentlich nur eine veritable Chance, als der brasilianischstämmige
Alessandro Santos, «Alex» genannt, kurz vor der Pause einen
Freistoss aus 17 Metern ans Lattenkreuz drosch.
Freiheit genutzt
«Ich habe meine Freiheit beim Kopfstoss genutzt. Die Japaner
sind halt ein bisschen klein», meinte der 186 cm grosse
Siegesschütze Ümit Davala in fliessendem Deutsch verschmitzt.
«Danach haben wir uns etwas zurückgezogen und den Gegner
kontrolliert. Die Japaner hatten aus dem Spiel heraus keine einzig
echte Torchance.»
Den Grund für sein gutes Deutsch lieferte der seit September
2001 bei Milan unter Vertrag stehende «Irokese» nach: Er sei in
Mannheim geboren und habe seine ersten Jugendjahre als Sohn einer
Arbeiterfamilie in Deutschland verbracht. Bei Galatasaray wurde
Ümit gross, wurde dreimal Meister und folgte dann seinem damaligen
Trainer von Förderer Fatih Terim zur AC Milan. Dort gelangte er in
der vergangenen Saison neunmal zum Einsatz.
Türkische Mauer
Die Türkei, welche auf die beiden gesperrten Emres (Verteidiger
Asik und Mittelfeldspieler Belözoglu) verzichten musste, stützte
sich auf eine solide Vier-Mann-Defensive. Dirigiert vom fast
unüberwindlichen Alpay und unterstützt von «Staubsauger» Tugay, war
sie ein unüberwindliches Bollwerk. «Wir zerbrachen an der
türkischen Mauer», gestand Japans scheidender französischer Trainer
Philippe Troussier. «Wir versuchten alles, liefen viel und agierten
dynamisch, fanden aber die Lücke leider nie. Dennoch, und auch ohne
mich, hat dieses Team eine grosse Zukunft vor sich. Ich scheide
nach vier Jahren nicht gerne. Ich bin stolz auf diese Mannschaft,
suche aber eine neue Herausforderung.»
Zahme Stürmer
Troussier hatte den Nachteil, nicht nur über kleine, sondern
auch über wenig durchschlagskräftige Stürmer zu verfügen. Deshalb
wechselte er sein Stürmerduo für den Achtelfinal abermals aus. Doch
auch Nishizawa und Alex, der zur Pause bereits wieder durch Suzuki
ersetzt wurde, waren bei den aufsässigen und zweikampfstarken
Türken abgemeldet. Sie schlossen im Gefahrenbereich geschickt die
Räume und liessen die Japaner bis 30 Meter vor dem Tor die Kräfte
verpuffen.
Japan ohneTorchancen
Bezeichnend, dass Japan bis zur Pause nur zwei Torschüsse hatte
und danach trotz erhöhtem Druck und Risiko ebenso wenige. Allein
die im Mittelfeld spielenden Söldner Hidetoshi Nakata (Klubkollege
von Hakan Sükür bei Parma), Ono (Feyenoord Rotterdam) und Inamato
(Arsenal) konnten es nicht richten. Der erste Verlusttreffer nach
195 Minuten ohne Gegentor bedeutete für den Gastgeber das Aus. Die
Japaner verliessen das Turnier aber erhobenen Hauptes. Sie haben
beste Eigenwerbung betrieben.
Japan - Türkei 0:1 (0:1)
Miyagi Stadium, Sendai/Jap. -- 45 666 Zuschauer. -- SR Collina
(It). -- Tor: 12. Ümit Davala 0:1.
Japan: Narazaki; Matsuda, Miyamoto, Koji Nakata; Myojin, Toda,
Inamoto (46. Ichikawa, 86. Morishima), Hidetoshi Nakata, Ono; Alex
(46. Suzuki), Nishizawa.
Türkei: Rüstü; Akyel, Alpay, Bülent Korkmaz, Hakan Ünsal; Ümit
Davala (74. Nihat), Tugay, Bastürk (90. Ilhan Mansiz), Ergün; Hasan
Sas (85. Tayfur); Hakan Sükür.
Bemerkungen: Japan komplett, Türkei ohne Emre Asik und Emre
(beide gesperrt). 42. Lattenschuss durch Alex. Verwarnungen: 22.
Alpay (Foul). 44. Ergün (Foul). 45. Toda (Foul). 91. Hakan Sükür
(Foul).
(sda)