Die Wiederwahl von Spiess ist im Hinblick auf die EM-Kandidatur 2008 von grösster Wichtigkeit.
Auch der zuletzt stark kritisierte FIFA-Präsident Joseph Blatter
konnte für sich und den kommenden Wahlkampf um das FIFA-Präsidium
eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Seine Rede vor den 51 europäischen
Verbänden wurde wohlwollend aufgenommen.
Während der Schweizer die
Wichtigkeit der UEFA für die FIFA und den Weltfussball herausstrich
("Ich wäre dumm, die Bedeutung Europas zu schmälern"), kam
Gegenspieler Issa Hayatou einmal mehr auf seine bereits bekannten
Vorwürfe gegen den FIFA-Präsidenten zu sprechen, was bei vielen
Delegierten wenig Anklang fand.
Blatter-Befürworter gewählt
Blatter durfte sich aber auch über den Ausgang der Wahlen
freuen. Der Spanier Angel Maria Villar Llona wurde zum neuen
Vizepräsidenten im FIFA-Exekutivkommitee gewählt und löst damit den
Italiener Antonio Matarrese ab. Während der Italiener zu den
Gegnern Blatters zu zählen ist, gehört der Spanier zu seinen
Befürwortern. Gleich verhielt es sich auch bei der Wahl von zwei
neuen Mitgliedern in das FIFA-Exekutivkommitee: Der Deutsche
Gerhard Mayer-Vorfelder ersetzt dort den Norweger Per Ravn Omdal
und Michel Platini nimmt als neues Mitglied Einsitz. Mayer-
Vorfelder hat Blatter bereits vor einiger Zeit die Unterstützung
bei der Wahl versprochen und der frühere Weltklasse-Fussballer
Platini fungiert seit zwei Jahren als persönlicher Berater des
Schweizers. Blatter: "Was heute passiert ist, gibt mir viel
Zuversicht für die Wahl am 29. Mai in Seoul."
Zuversichtlich darf auch der Schweizerische Fussballverband in
die Zukunft blicken. Mit Giangiorgio Spiess verfügt der SFV für
vier weitere Jahre über eine wichtige Stimme in der UEFA-Exekutive.
Der frühere Delegierte der Nationalmannschaft musste zwar in den
zweiten Wahlgang, doch dann erhielt er die zweitmeisten Stimmen.
Unter den sieben gewählten Kandidaten befindet sich auch Platini,
der gestern gleich in beide Exekutiv-Kommitees (UEFA und FIFA)
einzog und damit der eigentliche Gewinner dieses Kongresses war.
SFV-Präsident Ralph Zloczower zeigte sich sehr erleichtert über die
Wahl von Spiess ("Es war knapper, als ich erwartet hatte").
Erleichtet war auch der frühere, langjährige SFV-Generalsekretär
Edgar Obertüfer, der aber seine Enttäuschung über die tiefe
Stimmenzahl für den Tessiner nicht verbergen konnte: "Wir müssen
uns fragen, ob wir im Vorfeld der Wahl genug getan haben."
Wichtig für EM-Kandidatur
Die Wahl von Spiess ist vor allem auch im Hinblick auf die
schweiz-österreichische Kandidatur für die EM 2008 von grösster
Wichtigkeit. Das 14-köpfige UEFA-Exekutivkommitee bestimmt im
Dezember aus sieben Kandidaten den Ausrichter der übernächsten EM-Endrunde. Zwar wird Spiess -- wie fünf weitere Mitglieder aus
gegnerischen Kandidatur-Ländern -- bei der Wahl in den Ausstand
treten müssen, doch in der vorhergehenden Diskussion kann er seinen
Einfluss geltend machen. Die acht übrigen Exekutivkommitee-Mitglieder stammen aus Spanien, Frankreich, Luxemburg, Holland,
Zypern, Deutschland, Malta sowie England und demnach aus vorwiegend
westeuropäischen Ländern. Vielleicht kann das der Kandidatur
Schweiz-Österreich gegenüber jenen aus Russland, Ungarn,
Skandinavien, Slowenien/Bosnien-Herzegowina, Türkei/Griechenland
und Schottland/Irland zum Vorteil gereichen.
Alle sieben Bewerber konnten sich parallel zum UEFA-Kongress in Form einer kleinen Messe vorstellen. Der schweiz-österreichische Stand fand dabei den deutlich grössten Zulauf und
erntete von den UEFA-Delegierten viel Lob. Delegationsleiter Edwin
Rudolf und Projektleiter Thomas Helbling war es gelungen, ein
sympathisches und professionelles Erscheinungsbild zu präsentieren.
Selbst der schwedische Premierminister Göran Persson, FIFA-
Präsident Blatter und 'Kaiser' Franz Beckenbauer liessen es sich
nicht nehmen, dem Schweizer Stand, der als einziger ein kleines
Restaurant betrieb, zu besuchen. Sie erfreuten sich nicht nur an
den offerierten Spezialitäten aus beiden Ländern, sondern auch an
Helbling-Sohn Hendrik im Schweizer Dress und zwei Schweizer
Schauspielern, die als Mozart und Heidi eine starke Show
ablieferten.
Johansson wiedergewählt, Kasachstan aufgenommen
Ein reines Routinegeschäft beim gestrigen Kongress war die
Wiederwahl von UEFA-Präsident Lennart Johansson für weitere vier
Jahre. Diskussionslos ging auch die Aufnahme von Kasachstan als 52.
Mitglied der UEFA über die Bühne. Die zweitgrösste der ehemaligen
sowjetischen Republiken hatte sich aus dem asiatischen Verband
gelöst und ein Beitrittsgesuch in die UEFA gestellt.
(René Baumann, Stockholm /sda)