«Killer-Vehikel» löste sich nicht

Umstrittener US-Raketenabwehr-Test fehlgeschlagen

publiziert: Samstag, 8. Jul 2000 / 20:22 Uhr

Washington/Moskau - Der weltweit mit Spannung erwartete Test mit dem umstrittenen US-Raketenabwehrsystem NMD ist fehlgeschlagen. Das gab das Pentagon am frühen Samstagmorgen kurz nach dem Test bekannt. Moskau nahm den Fehlschlag mit kaum verhohlener Freude auf.

Das Verteidigungsministerium teilte mit, das Computersignal zur Ablösung des so genannten «Killer-Vehikels» von seiner Trägerrakete habe aus ungeklärten Gründen nicht funktioniert. Luftwaffengeneral Ronald Kanish gestand ein, dass das Problem nicht einmal auf der Liste möglicher Fehlerquellen gestanden habe.

Pentagon-Staatssekretär Jacques Gansler fügte hinzu, ausserdem habe sich ein Ballon nicht aufgebläht, der als Attrappe dienen sollte, um die Unterscheidungsfähigkeit des «Killer-Vehikels» zu testen.

Keine voreiligen Schlüsse

Die US-Regierung warnte am Samstag, voreilige Schlüssen aus dem Fehlschlag zu ziehen. Ein Sprecher des Sicherheitsrates im Weissen Haus sagte, es sei noch zu früh, von Konsequenzen des gescheiterten Experimentes auf die im Sommer erwartete Entscheidung von US- Präsident Bill Clinton zu sprechen.

Das Verteidigungsministerium müsse den Fehlschlag noch genau untersuchen. Erst wenn die Empfehlungen des Pentagon dem Weissen Haus vorlägen, könne Clinton seine Entscheidung über das Projekt treffen.

Das «Killer Vehikel» war auf einer Trägerrakete von der kalifornischen Luftwaffenbasis Vandenberg gestartet worden. Es hätte über dem Pazifik eine Interkontinentalrakete vom Typ Minuteman II abschiessen sollen.

Diese wurde in 7000 Kilometer Entfernung auf den Marschallinseln abgeschossen und war mit der Attrappe eines nuklearen Sprengkopfs ausgerüstet. Der Start der Minuteman war bereits wegen eines Defekts an der Batterie um zwei Stunden verschoben worden.

Neuer Test im November

Das Verteidigungsministerium äusserte sich enttäuscht über den neuen Fehlschlag, der 100 Millionen Dollar kostete. Im Oktober oder November sei ein neuer Test geplant. Insgesamt sollen noch 16 Tests durchgeführt werden.
Das umstrittene NMD-System soll vor Raketenangriffen so genannter «Schurkenstaaten» (nach Lesart der USA Länder wie Irak und Nordkorea) schützen. Frühere Pläne sahen vor, dass die ersten 20 Abfangraketen und ein Radarsystem bis 2005 in Alaska installiert werden, weitere 80 Raketen bis 2007. Die Gesamtkosten werden auf bis zu 120 Mrd. Dollar geschätzt.

Russland betrachtet NMD als Verstoss gegen den ABM-Vertrag von 1972. Darin hatten sich die USA und die damalige Sowjetunion darauf geeinigt, keinen Raketenschild aufzubauen, damit die gegenseitige atomare Abschreckung einen Erstschlag verhindert.

Moskau ruft zu Verzicht auf

Moskau kommentierte den fehlgeschlagenen Test denn auch positiv. Er zeige, «dass die Idee eines nationalen Raketenabwehrsystems sowohl aus militärisch-politischer Sicht wie auch aus der Perspektive der technologischen Möglichkeiten zweifelhaft ist», sagte Generaloberst Leonid Iwaschow der Agentur Interfax.

Ein namentlich nicht genannter Vertreter des russischen Aussenministeriums sagte gegenüber der Agentur Itar-Tass, es sei nunmehr zu hoffen, dass sich Clinton gegen den Aufbau von NMD entscheiden werde. Er erinnerte daran, dass Russland den USA bereits eine Reihe von Alternativen zur Abrüstung und zum Schutz vor Raketenangriffen vorgeschlagen habe.

Aus China kam zunächst keine offizielle Reaktion. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua vermeldete den Fehlschlag ohne direkten Kommentar. Es wurde lediglich angedeutet, dass es beim Zeitplan des Pentagons nun zu einer «wesentlichen Verzögerung» kommen könnte.

Frankreich warnt - Greenpeace protestiert

Auch die meisten europäischen Staaten haben das US- Raketenprogramm kritisiert. Frankreichs Aussenminister Hubert Védrine hatte die USA noch am Vorabend des Test erneut gewarnt: «Amerika sollte genau abwägen, was es tut, denn das Projekt wird negative Reaktionen hervorrufen», sagte er in Paris.

Wenige Stunden vor dem Test hatte auch Greenpeace noch versucht, den Start zu verhindern. Aktivisten der Umweltorganisation drangen nach eigenen Angaben auf das Testgelände Vandenberg vor. Ein Sprecher des Luftwaffenstützpunkts teilte mit, es sei mindestens ein Aktivist auf dem Gelände festgenommen worden.

Greenpeace hatte auch einen Eisbrecher in die Sperrzone des Übungsgebiets im Pazifik entsandt, um die US-Militärs an der Ausführung des Tests zu hindern.

(ba/sda)

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