Unternehmen haften für Menschenrechtsverletzungen
Bern - Verschiedene konzernkritische Organisationen machen Ernst: Ab sofort sammeln sie Unterschriften für ihre Initiative, welche globale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz in die Verantwortung nehmen will. Künftig sollen die Konzerne für Menschenrechtsverletzungen haften.
Die nun lancierte Konzernverantwortungsinitiative soll dafür sorgen, dass Schweizer Unternehmen den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt verbindlich in ihre Geschäftspraktiken integrieren. Hinter dem Anliegen stehen 66 Menschenrechtsorganisationen und Hilfswerke. darunter Brot für alle, Fastenopfer, Alliance Sud, Amnesty International Schweiz oder die Erklärung von Bern.
Viele von ihnen hatten sich 2011 bereits für die Kampagne «Recht ohne Grenzen» engagiert. Sie verlangten, dass Schweizer Firmen Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland respektieren.
Nicht behobene Missstände
Die Gegenwart zeigt laut den Initianten, dass die Forderung aktueller denn je ist. Katastrophale Arbeitsbedingungen in Kleiderfabriken in Asien oder Osteuropa, missbräuchliche Kinderarbeit bei der Kakaoproduktion in Westafrika oder tödliche Emissionen in Sambia gehörten zur Tagesordnung. In solche Missstände seien durch ihre weltweite Tätigkeit auch Schweizer Konzerne verwickelt.
Und dies gemäss einer Studie der Maastricht University nicht zu kurz: Demnach liegt die Schweiz in Sachen Menschenrechtsverletzungen auf dem unrühmlichen 9. Rang. «Konkrete Massnahmen blieben jedoch aus», schrieben die Initianten. Bundesrat und Parlament setzten weiter ausschliesslich auf freiwillige Massnahmen der Konzerne.
Mitte März 2015 hatte das Parlament eine Kommissionsmotion für mehr Unternehmensverantwortung nur knapp abgelehnt. Die Volksinitiative nimmt nun einen neuen Anlauf zum Erreichen dieses Ziels.
Pflicht zur Sorgfaltsprüfung
Konkret orientiert sich die konzernkritische Allianz an den 2011 verabschiedeten «UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte». Demnach muss ein Konzern vorab all seine Geschäftsabläufe und -beziehungen durchleuchten, um mögliche Risiken für Mensch und Umwelt zu identifizieren.
Anschliessend muss es solche potenziell negative Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit mit wirksamen Gegenmassnahmen bekämpfen. Und als dritten Schritt ist es verpflichtet, transparent über allfällig verletzte Rechte und die dagegen ergriffenen Vorkehrungen zu berichten.
Um zu gewährleisten, dass alle Unternehmen ihre Sorgfaltsprüfungspflicht wahrnehmen, sollen Schweizer Konzerne auch für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden haften, die von ihnen kontrollierte Firmen begehen. Kann ein Unternehmen aber glaubhaft nachweisen, dass es die Sorgfaltsprüfung umfassend durchgeführt und alle nötigen Massnahmen getroffen hat, ist es von der Haftung befreit.
Nächster Schritt
Auch andere Sitzstaaten global agierender Konzerne setzen auf Regulierung ihrer Unternehmen. In Frankreich hat etwa die Nationalversammlung Ende März einen Gesetzesvorschlag gutgeheissen, der in die gleiche Richtung wie die Konzernverantwortungsinitiative weist.
Greenpeace und die Erklärung von Bern hatten in den vergangenen Jahren jeweils auch mit dem «Public Eye» in Davos auf die fehlende Verantwortlichkeit der Konzerne aufmerksam gemacht. Mit der Initiative gehen die Organisationen nun noch einen Schritt weiter. Sie haben bis zum 21. Oktober 2016 Zeit, die nötigen 100'000 Unterschriften zu sammeln.
(nir/sda)
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