Viele Schlachtrinder tragen antibiotikaresistente Bakterien
Bern/Zürich - Jedes zwölfte Schlachtrind in der Schweiz trägt Darmbakterien mit gefährlichen Antibiotika-Resistenzen. Zu diesem Schluss kommen Forscher der Vetsuisse-Fakultät der Universitäten Bern und Zürich in einer im Fachjournal «PLOS ONE» veröffentlichten Studie.
ESBL-produzierende Bakterien sind nicht nur selbst resistent gegen diese Medikamente, sondern können das Erbgutschnipsel auch an andere Bakterien übertragen. Sie stellten deshalb in der Human- und Tiermedizin ein gewaltiges Problem dar, sagte Stephan auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Etwa zwei Drittel der Humantherapien basierten auf dieser Klasse Antibiotika.
"Alarmierende Verbreitung"
Ursprünglich waren ESBL-produzierende Bakterien lediglich Spitalkeime, die zu zahlreichen Ausbrüchen führten. Inzwischen sind sie auch in gesunden Menschen und Nutztieren weit verbreitet; über 600 Varianten sind bekannt. Die Sorge wächst, dass ESBL-produzierende Kolibakterien im Nutzvieh herangezüchtet und über Milch und Fleisch auf den Menschen übertragen werden könnten.
Die aktuelle Studie deutet laut den Forschern darauf hin, dass es im Schweizer Rindvieh bereits ein solches Reservoir gibt. Ihre Proben stammen aus den fünf grössten Schlachthäusern der Schweiz und sind somit repräsentativ für die ganze Schweiz.
Bei anderen Tierarten schaut es noch schlimmer aus. In einer nicht repräsentativen Studie vom letzten Jahr fanden Stephan und Kollegen ESBL-produzierende Bakterien im Kot von 15 Prozent der Schweine, 13 Prozent der Rinder, 8 Prozent der Schafe - und sogar 63 Prozent der Hühner. Zudem fanden die Forscher solche Keime in 21 von 58 Schweizer Flüssen und Seen.
"Die weite Verbreitung dieses Resistenzmechanismus in Tieren, in Menschen und in der Umwelt ist alarmierend", sagte Stephan. Immerhin waren Milch sowie Rinds- und Schweinshackfleisch frei von diesen Bakterien - laut den Forschern wohl dank der hohen Hygienestandards in Schweizer Schlachthöfen.
Übertragbare Resistenz
Für den Menschen ist die Gefahr der ESBL-produzierenden Bakterien indirekt. Zwar könnten sie über rohe tierische Lebensmittel zum Menschen gelangen, aber weil sie durch Erhitzen zerstört werden, seien direkte Krankheitsausbrüche unwahrscheinlich, sagte Stephan.
Es könne aber vorkommen, dass ein solches E.-coli-Bakterium eine Harnwegsinfektion auslöse, die dann mit Antibiotika schwierig zu therapieren sei. Die Hauptgefahr sei jedoch, dass die Keime die Fähigkeit, resistent zu sein, über das Erbgutschnipsel zum Beispiel im Darm an andere, gefährliche Erreger übertragen könnten.
Antibiotika in der Milchproduktion
In der jüngsten Studie haben die Forscher weiter untersucht, welche Faktoren das Vorkommen dieser Keime begünstigen. Es zeigte sich, dass vor allem sehr junge Rinder und solche, die aus Milchbetrieben stammten, diese trugen. Als Grund vermuten die Forscher den häufigen Einsatz der modernen Antibiotika in Milchbetrieben gegen Euterentzündungen.
Dazu komme die Schweizer Tradition, Kälber mit der Milch zu füttern, die wegen des Antibiotika-Einsatzes unverkäuflich ist. Die Autoren plädieren deshalb für einen vorsichtigen Umgang mit diesen Antibiotika, die auch für die Humanmedizin wichtig sind, in der Milchwirtschaft.
(asp/sda)
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