Warme Luft aus hohen Häusern

publiziert: Montag, 5. Mrz 2007 / 12:04 Uhr / aktualisiert: Montag, 5. Mrz 2007 / 12:21 Uhr

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Momentan beherrscht - wie kaum ein anderes Thema - die Klimadebatte die Nachrichten. Gerade heute kommen aus Deutschland ganz neue Forderungen. Die CSU will bis 2020 herkömmliche Verbrennungsmotoren verbieten und nur noch Wasserstoff- und Hybridautos zulassen. Ein Politiker will dabei den anderen übertreffen, wobei man sich fragt, warum das erst jetzt passiert, existiert die Problemstellung doch schon länger.

Eine andere Frage ist dabei, wie sinnvoll viele dieser Vorschläge sind. Biosprit zum Beispiel ist keineswegs so eindeutig umweltfreundlich wie man es meinen könnte. Das Argument geht ja in der Regel so: Die zu Biosprit verarbeitete Pflanze nimmt beim Wachstum so viel Kohlenstoff auf, wie danach bei der Verbrennung des Treibstoffs wieder frei gesetzt wird. Stimmt eigentlich. Was allerdings in dieser Milchmädchenrechnung nicht auftaucht, sind die CO2-relevanten Verarbeitungsschritte, Transportaufwände, Düngemittel und deren Produktion.

Am Schluss steht Biosprit noch etwa 30% besser da, als fossiler Treibstoff. Werden dazu noch - da hier keine ausreichenden Anbauflächen vorhanden sind, um den Bedarf zu stillen - in der Dritten Welt Urwälder gerodet, um zur Spritproduktion Ölpalmen anzupflanzen, stimmt die Rechnung überhaupt nicht mehr. Der Sprit ist dann zwar Bio - aber Klima schonend? Kann man sich glatt abschminken.

Und der Wasserstoff? Hier lauert die nächste Falle, in die immer wieder hinein getappt wird. Es tönt ja so bestechend: Wasserstoff in den Tank, losfahren und hinten steigt Wasserdampf auf, der Stoff aus dem Schäfchenwolken und Nebelbänke produziert werden. Kann es etwas Ökologischeres geben?

Wenn der Wasserstoff einfach aus der Erde strömen würde, nicht. Doch das ist blöderweise nirgends der Fall. Wasserstoff ist lediglich ein Energieträger. Ein sehr flüchtiger dazu. Was das bedeutet? Jeder Liter Wasserstoff muss erst erzeugt werden. Dabei pfuschen die beiden Hauptsätze der Thermodynamik ins Geschäft, die besagen, dass es in der Physik keine Freifahrkarten gibt. Oder, etwas korrekter: Aus einem Energieträger holt man immer weniger Energie raus, als zur Produktion rein gesteckt wurde.

Ausnahmen von dieser Tatsache wurden bis jetzt nur von Betrügern gefunden, die naiven Investoren Geld für die Produktion von Perpetuum Mobili aus den Taschen ziehen. In der wirklichen Welt hingegen klappt es nicht.

Die einzige Chance, Wasserstoff in ausreichendem Masse zu erzeugen, wären gigantische Solarfarmen in abgelegenen Gegenden der Welt, wo dieser Energieträger durch Elektrolyse gewonnen, und mit Solarenergie gekühlt, komprimiert und auf Spezialtankschiffen zu den Verbrauchern gebracht würde.

Alternative Szenarien für die viel beschworene Wasserstoffwirtschaft sind nicht bekannt. Die Tatsache, dass diese gigantische Infrastruktur erst in Plänen besteht und mindestens Jahrzehnte weit weg ist, zeigt, wie illusorisch es ist, die Lösung hier zu suchen – egal, wie gerne Politiker davon sprechen.

Die beste Gelegenheit wäre es, die Energie besser zu nutzen. Eine Studie von Volkswagen kam dabei zu unbequemen, aber nicht sehr überraschenden Resultaten: Am billigsten wäre es, den Wirkungsgrad von Kraftwerken zu verbessern und die Verschwendung beim Heizen von Häusern einzudämmen. Die Massnahmen hier sind nicht spektakulär und kaum für Schlagzeilen gut: Isolierende Verglasung und Wärmedämmung von Altbauten, strengere Vorschriften bei Neubauten wären erste Schritte im Wohnbereich. Fernwärmesysteme und sekundäre Kreisläufe bei Kraftwerken - das Beheizen von Flüssen durch AKWs sei da als extrem abstossendes Beispiel erwähnt - eine andere Möglichkeit, die energetische Effizienz unserer Gesellschaft zu verbessern.

Es ist klar, auch der Verkehr darf nicht aussen vor bleiben. Wenn aber die grösste Effizienz wo anders erzielt werden kann, muss auch dort angesetzt werden. Gerade die Tatsache, dass Handeln Not tut, macht blinden Aktionismus gefährlich. Denn es kommt nicht darauf an, wie spektakulär die Massnahmen sind, sondern nur darauf, wie wirksam. Wobei es durchaus interessant wäre, herauszufinden, ob die in den hohen Häusern der Politik abgegebene warme Luft auch klimarelevant ist...

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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