Wechselstrom

publiziert: Freitag, 6. Mai 2011 / 11:50 Uhr
Gastautor Heinz Gutscher ist Professor für Sozialpsychologie an der Universität Zürich
Gastautor Heinz Gutscher ist Professor für Sozialpsychologie an der Universität Zürich

Kein Zeitungstag vergeht ohne Bericht zum Thema Energie. Und es gibt wohl niemanden mehr, die/der Fukushima nicht mit nuklearem Desaster gleichsetzt. Ich konnte jedenfalls keinen Moment der Windstille ausmachen, als die grosse Drehung der politisch korrekten Hauptwindrichtung erfolgte; alles war ganz plötzlich anders als vorher. Wie das?

Weiterführende Links zur Meldung:

Weltforschungsprogramm
«Knowledge, Learning, and Societal Change»
proclim.ch

Zwei Wege der Informationsverarbeitung

Einerseits reagieren Menschen auf Information mit einem raschen, intuitiv bewertenden, erfahrungsbezogenen System, welches die Wirklichkeit in Form von Bildern und Geschichten verdichtet und speichert: Die Schweizer Bevölkerung «erlebte» das Geschehen aus Distanz, verdrängte die 30'000 Tsunami-Opfer und machte sich umgehend Sorgen um die radioaktive Belastung des eigenen Gemüses. Parteifahnen im Herbstwahlwind zeigten plötzlich neue, unbekannte Rückseiten.

Neben diesem «Bauchgefühl» verarbeiten wir Information auch mit einem langsamer einsetzenden analytischen System. Es baut auf Symbole, Logik und ausführliches Abwägen. Und es benötigt Zeit. Mehr Zeit als scheinbar zur Verfügung steht. Gute Entscheidungen beruhen auf dem Zusammenspiel beider Systeme, dem raschen, intuitiven und dem langsameren, analytischen.

Risiken der nuklearen Option gestiegen?

Wer jemanden kennt, der gestern beim Fensterputzen schwer verunfallte, wird heute das Arbeiten im Haushalt als riskanter beurteilen als noch vorgestern. Die Sozialpsychologie hat diesen Effekt unter der Bezeichnung «Verfügbarkeitsheuristik» erforscht. Er besagt, dass die rasche und anschauliche Verfügbarkeit von Risikoereignissen in die subjektive Beurteilung von Risikowahrscheinlichkeiten mit einfliesst.

Historische Chancen - und Risiken

Deshalb wollen zur Zeit alle alles, subito: sichere Stromproduktionstechnologien und eine gesicherte Stromversorgung; das ganze nachhaltig und ohne Abschreiber beim Landschafts-, Biotop- und Heimatschutz; ewigi Liebi und Null-Risiko. Und natürlich billig. Und, und, und. Dafür sollen gewisse Optionen abgeschrieben werden. Endgültig. No way. No more. Raus aus allem. Sollen doch die Franzosen oder die Asiaten die Entwicklung von sichereren und abfallärmeren Atomenergiekonzepten weitertreiben. Wenn was draus wird, können wir ja immer noch dort einkaufen, wie bei der Photovoltaik.

Hallo! Hallo?

Aber war da nicht noch was? Richtig, die Klimaproblematik! Und unser CO2-Ausstoss. Ok, vernachlässigbar, global gesehen. Entschuldigen Sie bitte die Störung. Aber: Hier ist nicht Deutschland, hier ist die Schweiz. Die Stromproduktion in Deutschland verursacht 50% des dortigen CO2-Ausstosses; in der Schweiz sind es 2.7%. Das bedeutet, dass - schön Träumen und gut Wünschen hin oder her - sich im Gegensatz zu Deutschland unsere CO2-Klimabilanz verschlechtern wird, zum Beispiel durch die Installation von Photovoltaik. Nutzt die reiche Schweiz bald das Potenzial aller Dächer und baut 120 Quadratkilometer Photovoltaik? Löst sie auch die alle 30 Jahre wiederkehrende Entsorgung dieser Photovoltaik-Fläche? Und benötigt sie trotzdem noch Gaskraftwerke? Weil auch die Flüsse und Berge und der ganze Rest vor der Energieproduktion geschützt werden sollen?

Auswege brauchen Geld und Zeit zum Nachdenken

Wenn wir nicht nur an unser Gemüse, sondern auch an die fernere Zukunft denken, werden wir rasch mehr Geld und Grips investieren müssen in die Entwicklung neuer und klimaschonender Energietechnologien - welcher Art auch immer. Und die technischen Effizienzgewinne? Werden durch Dummheit und Masslosigkeit gefressen. Niemand scheint wirklich wissen und erfahren zu wollen, wie die 2000-Watt- oder die 1Tonne CO2/Person/Jahr-Welt wirklich schmeckt - und ob nicht bereits heute weniger eigentlich bereits genug wäre. Und weil das alles so ist, werden wohl auch weiterhin zu wenig Mittel fliessen in die sozialwissenschaftliche Erforschung von Transformationswissen oder in die geisteswissenschaftliche Suche nach bewegenden Suffizienzgeschichten.

In Grindelwald fand Mitte April ein von ProClim und der SAGW durchgeführter Workshop statt, wo genau zu diesen letzteren Themen das Weltforschungsprogramm «Knowledge, Learning, and Societal Change» (KLSC) (>siehe Weiterführende Links) geplant und zumindest in den Köpfen gestartet wurde - ein Ansporn für die Schweizer Forschung.

(Heinz Gutscher/ETH-Zukunftsblog)

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Lesen Sie weitere Beiträge und diskutieren Sie mit auf: www.ethz.ch/zukunftsblog

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