Weisheit kann Verbitterung überwinden

publiziert: Dienstag, 12. Jul 2011 / 21:05 Uhr
Weisheit heisst Macht über sich und seinen Geist.
Weisheit heisst Macht über sich und seinen Geist.

Berlin - Menschen mit schweren Formen der Verbitterung können durch Weisheit geheilt werden. Das berichtet der Berliner Psychiater und Psychotherapeut Michael Linden im «Journal of Psychotherapy and Psychosomatics».

Linden hat 2003 die posttraumatische Verbitterungsstörung (PTED) als erster beschrieben. Nun zeigte er in einer randomisierten Kontrollstudie, dass die kognitive Verhaltenstherapie auf Grundlage der Weisheitspsychologie einen wirksamen Ansatz für die Behandlung der Störung darstellt, wenngleich diese im offiziellen Diagnoseschlüssel noch nicht aufscheint.

Lösung des Unlösbaren

«Weisheit ist eine psychologische Fähigkeit des Menschen, die ihm dabei hilft, mit komplexen und undurchschaubaren Situationen fertig zu werden», erklärt Linden im Interview. Dringend nötig ist sie etwa bei Menschen, die durch Ungerechtigkeiten oder Erniedrigung zutiefst verletzt wurden und wo ein Ungeschehen-Machen unmöglich ist - oft etwa nach einer Kündigung oder nach dem Fremdgehen des Ehepartners. Alte Menschen besitzen oft einen höheren Grad an Weisheit, jedoch auch bestimmte Berufe wie etwa Rechtsanwälte, Psychotherapeuten oder Pfarrer.

Linden zieht einen Vergleich zur Selbstsicherheit, die jeder Mensch kennt, die erlernbar ist und mehrere Dimensionen umfasst wie etwa Blickkontakt oder Fähigkeit zum Neinsagen. Ebenso ist auch die Weisheit ein Allgemeingut mit vielen Facetten wie etwa Fähigkeit zu Empathie und Perspektivwechsel, Akzeptanz und Steuerung eigener Emotionen, Wertrelativismus oder Nachhaltigkeitsorientierung. Weisheitskompetenzen können recht einfach verbessert werden, wie etwa durch fünfminütiges Nachdenken vor überstürzten Handlungen oder durch den Blick auf langfristige Ziele. «Weisheit heisst auch, sich nicht als Nabel der Welt zu sehen», so der Experte.

Besser als bisherige Therapien

Bei verbitterten Menschen soll Weisheit vor allem dazu dienen, durchgemachtes Leid hinter sich zu lassen. Dennoch bricht bei Betroffenen diese Kompetenz oft völlig zusammen. «Der psychische Zustand der Kränkung löst oft einen Teufelskreis aus, der jedes Überwinden nur erschwert. Neben der Stimmung sinkt auch der Antrieb, viele entwickeln psychosomatische Beschwerden oder meiden Sozialkontakte. Im Extremfall drohen sogar Suizid oder Amok», warnt Linden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Verbitterte trotz ihres Leidensdrucks oft sogar aggressiv gegen Hilfe von Aussen wehren - auch gegen Therapie.

Dass Verbitterte in ihrer Blockade durch Negativismus und Fatalismus besondere Hilfen brauchen, verdeutlichte Lindens Pilotstudie. 25 PTED-Patienten, die eine multidimensionale kognitive Verhaltenstherapie erhielten - bisher Standard für derartige Leiden - zeigten kaum die erhofften Verbesserungen. Diese traten eher bei den 28 Patienten ein, die mit einer auf der Weisheitspsychologie orientierten, spezifischen Verhaltenstherapie behandelt wurden. Sichergestellt wurden diese Ergebnisse mit üblichen Tests sowie einer Bewertung durch Patient und Therapeut.

Friedlicher Schlussstrich

So sehr die Studie auch für Lindens Ansatz spricht, relativiert dieser jedoch. «Es ist noch nicht geklärt, ob der Erfolg auf die Weisheitstherapie im engeren Sinne zurückzuführen ist oder die in diesem Rahmen entwickelten Therapiestrategien, um mit dem Patienten überhaupt ein Arbeitsbündnis herzustellen.» Der Therapeut muss den Patienten in seinem Elend annehmen und auch emotional zu verstehen, was bei Verbitterung nicht leicht fällt. «Statt gleich Änderungen zu verlangen, muss man als Therapeut erst einmal die Kränkung uneingeschränkt miterleben.»

Eine Motivation für das Einlassen auf die Therapie könne den Patienten der Gedanke sein, dass es ungerecht ist, etwa seinen Job verloren zu haben, jedoch noch ungerechter, dass einem der ehemalige Chef nun auch noch ständig den Schlaf raubt. Ziel der Behandlung seien nicht Rechtfertigung oder Kleinreden, sondern ein Rückblick auf Schlimmes ohne Wut. «Der Patient muss selbst derart Schluss mit seiner Vergangenheit machen können, dass sie keine Folgen mehr für ihn hat - also ein Stück Vergebung», so der Psychotherapeut.

 

 

(fest/pte)

.
Digitaler Strukturwandel  Nach über 16 Jahren hat sich news.ch entschlossen, den Titel in seiner jetzigen Form einzustellen. Damit endet eine Ära medialer Pionierarbeit. mehr lesen 22
Magnettonband mit der Aufnahme von B.B. Kings Konzert am Jazzfestival Montreux von 1980 aus dem Archiv der Claude Nobs Foundation. Das Band befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls, sodass es mit herkömmlichen Methoden nicht mehr direkt abgespielt werden kann.
Magnettonband mit der Aufnahme von B.B. Kings Konzert am ...
eGadgets Das Paul Scherrer Institut hat eine innovative Methode entwickelt, um historische Tonbänder auf schonende Weise zu digitalisieren. Durch den Einsatz des speziellen Röntgenlichts der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS konnten Wissenschaftler wertvolle Aufnahmen, darunter auch seltene Auftritte des legendären «King of the Blues» B.B. King vom Montreux Jazzfestival, bewahren und für die Zukunft sichern. mehr lesen  
Forscher aus den USA haben GPT-4 in einem Kriegsspiel zur Planung von Gefechten eingesetzt. Dabei schnitt das Modell besser ab als bisher veröffentlichte militärische Künstliche Intelligenzen. Das berichtet heise.de. mehr lesen
KI wird in Zukunft gross im Militär eingesetzt werden.
Die künstliche Intelligenz kann das traditionelle Brauerbe unterstützen.
Belgische Forscher setzen künstliche Intelligenz ein, um den Geschmack von belgischem Bier zu verbessern, das Können des Braumeisters bleibt aber weiterhin ... mehr lesen  
Wellness Das Lachen dient nicht nur als Zeichen von Freude und Glück, sondern hat auch viele positive Effekte auf unsere Gesundheit. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Lachen sowohl körperliche als auch psychische Vorteile bietet. mehr lesen  
Titel Forum Teaser
 
Stellenmarkt.ch
Kreditrechner
Wunschkredit in CHF
wetter.ch
Heute Fr Sa
Zürich 2°C 7°C wechselnd bewölkt, Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Basel 3°C 9°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wechselnd bewölkt, Regen
St. Gallen 0°C 3°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig trüb und nass starker Schneeregen
Bern 1°C 6°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Luzern 1°C 7°C starker Schneeregenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wechselnd bewölkt, Regen wechselnd bewölkt, Regen
Genf 4°C 11°C wolkig, aber kaum Regenleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig wolkig, aber kaum Regen wolkig, aber kaum Regen
Lugano 7°C 14°C wechselnd bewölktleicht bewölkt, ueberwiegend sonnig freundlich recht sonnig
mehr Wetter von über 8 Millionen Orten