Wie blöd sind wir eigentlich?

publiziert: Montag, 25. Feb 2008 / 11:01 Uhr / aktualisiert: Montag, 25. Feb 2008 / 11:19 Uhr

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Die Diskussion über die Verdummung der Gesellschaft ist ein ewiges Thema. Doch selten war sie so nötig wie heute... wenn sie nicht bereits zu spät kommt. Denn die Verblödung geht auf allen Fronten voran, auf jedem gesellschaftlichen Niveau, oben wie unten, in jedem politischen Lager, von links bis rechts, in Schulzimmern und auf dem Börsenparkett.

Dabei machen sich fast alle derselben intellektuellen Todsünde schuldig: Sie glauben, dass sich die Welt nach ihren Vorstellungen und Wünschen zu richten hat, dass Wunschträume, Glaubenssätze, Ideologien und Vorurteile wahrer als die Realität sein müssen. Und jeder, der diesen Wahnvorstellungen widerspricht ist eine üble, schreckliche Person, ein Nestbeschmutzer, Faschist, Vaterlandesverräter oder der Antichrist (bitte ankreuzen).

In der Politik zum Beispiel behaupten die Linken steif und fest, dass der Mensch gut werde, wenn er nur genug bekomme und der Staat alles reguliere. Die Rechte hingegen verbreitet, dass nur ein nicht vorhandener Staat Wohlstand bringen könne, jede Einschränkung der Freiheit schlecht sei. Beides ist völliger Mumpitz, wie schon x-mal bewiesen wurde. Ein allmächtiger Staat wird sich selbst in einer Flut aus gutgemeinter Tyrannei ersticken und eine Schicht der Abzocker heran ziehen. Ein machtloser Staat überlässt sein Volk einer ökonomischen Diktatur, die vor keiner durch Gier getriebenen Ungerechtigkeit zurückschreckt. Die Beispiele für beides sind da, doch niemand scheint sich dafür zu interessieren. Stattdessen feiern Links- und Rechtsdemagogen fröhliche Urständ.

Doch auch in der Wirtschaft steht Blödheit hoch im Kurs. Die ganze Kreditkrise kann eigentlich nur darauf zurückgeführt werden, dass - trotz diversen Abstürzen in der jüngeren Vergangenheit - alle nach dem Prinzip handelten, dass Bäume DOCH in den Himmel wachsen können, eine beschränkte Wirtschaft unbeschränkte Gewinne ohne reelle Basis von Leistung und Mehrwert erzielen kann.

Solch ein intellektuelles Tieffliegen wird im breiten Volk auch noch durch Bestseller, wie z. B. Rhonda Byrnes schwachsinniges «The Secret», in welchem Wunschdenken zum Naturgesetz hochstilisiert wird, popularisiert, was absoluter Kokolores ist. Sicher, wer nichts probiert, wird nichts erreichen. Aber nur zu wollen, reicht noch lange nicht. Wer etwas anderes behauptet, schüttet Verachtung und Hohn über alle Opfer von Staatsterror und Völkermord: Hätten sie nur fest genug gewollt, wären die Opfer nicht in den Vernichtungslagern von Stalin, Hitler und Pol Pot, in den Foltergefängnissen von Saddam Hussein und Kim Il Yong umgekommen! Doch Medienkonzerne verdienen gutes Geld mit solcher Idiotie und auch von dieser Seite ist kaum mit Aufklärung und Kritik zu rechnen – eher das Gegenteil ist der Fall.

Dieser kollektive Abschied von der Realität geht noch viel weiter. Er verhindert sachliche Diskussionen darüber, wie man zum Beispiel mit dem Klimawandel umgehen will, wie die Wirtschaft so reformiert werden kann, dass sie nicht unweigerlich in die nächste Krise taumelt, generell, wie Probleme angegangen, statt politisch besetzt werden können.

Wie gesagt: Linke und Rechte sind gleich schuldbeladen, beide Seiten haben kein Interesse an Objektivität und statt das Volk aufzuklären setzen sie alles daran, ihre Version einer Wahrheit nach Parteiprogramm zu vermitteln. Die Rechten schaffen es dabei momentan besser, die Linken als elitäre Phantasten erscheinen zu lassen. Doch sie selbst sind genauso eine Elite und genauso selektiv gegenüber der Wirklichkeit.

Es wäre Zeit, in den Schulen das Fach «Rationalität» einzuführen, ein Fach, in dem Schülern beigebracht wird, Dinge zu hinterfragen, sie Grundbegriffe davon vermittelt bekommen, woran man dumme Behauptungen ohne Fundament in der Realität erkennen und diese auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen kann. Doch dafür werden sich kaum Politiker als Unterstützer finden lassen. Würden so gebildete Bürger doch vermutlich anspruchsvollere Wähler sein, die sich nicht einfach mit ein bisschen Ideologie abspeisen liessen, sondern von den gewählten Regierungen verlangen würden, den Wähler und die Realität ernst zu nehmen.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)

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