Antworten von Domenico Blass

Wie wird man Zürcher?

publiziert: Dienstag, 1. Jul 2014 / 10:14 Uhr
Domenico Blass: «Ich bin wohl zürcherischer, als mir lieb ist. Ein kleiner Zwingli-Zwängli-Grind.»
Domenico Blass: «Ich bin wohl zürcherischer, als mir lieb ist. Ein kleiner Zwingli-Zwängli-Grind.»

Der Zürcher Autor Domenico Blass überarbeitet zurzeit mit «Z wie Züri» einen Bühnenstoff, der fast fünfzig Jahre alt ist. Die Retrowelle - einmal mehr! Das Theaterstück wird von anfangs November bis anfangs Januar in der Limmatstadt aufgeführt.

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Mitte Siebzigerjahre wurde es von den legendären Theaterautoren Hans Gmür, Hans Suter zur Musik von Hans Möckel und Peter Jacques geschrieben. 1976 wurde die «Cabaret-Revue», wie das Stück damals angekündigt wurde, uraufgeführt und vom Zürcher Publikum mit grosser Begeisterung aufgenommen.

Um was geht es in «Z wie Züri»?

Domenico Blass: «Ein paar prominente Zürcher machen sich im Himmel Sorgen um ihre Heimatstadt. Darauf schickt der liebe Gott einen Engel nach Zürich, der einen Bericht über die wahren Zustände schreiben soll. Also etwa das, was heute ein UNO-Sondergesandter tut.»

Steht es um Zürich immer noch so schlimm wie 1976 als das Theaterstück uraufgeführt wurde?

Domenico Blass: «Ich persönlich finde: Vieles ist besser geworden. Aber was im Stück vorkommt, hat sich erstaunlicherweise nicht gross verändert. Man kann dies erschreckend finden - oder tröstlich.»

Was unterscheidet das Züri von damals zum heutigen? Welche Inhalte, Orte, Lokale, Persönlichkeiten kann man eins zu eins übernehmen?

Domenico Blass: «Ein halbes Jahrhundert später muss man die Promis natürlich austauschen. Aber von den Lokalen, die hymnisch besungen werden, existieren noch überraschend viele.»

Ist die Geschichte noch zeitgemäss?

Domenico Blass: «Es geht letztlich um die Liebe der Zürcher zu ihrer Stadt, die manchmal auch eine Hassliebe ist. Und diese kann man heute noch genauso empfinden wie damals - wenn man zum Beispiel bedenkt, wie heftig über den Hafenkran diskutiert worden ist.»

Als was bezeichnen Sie «Z wie Züri» eigentlich? In welches Genre reihen Sie das Stück ein (Klamauk, Musical, Komödie, musikalisches Theaterstück)? Was macht es so speziell?

Domenico Blass: «Für mich ist 'Z wie Züri' eine Revue, eine gesungene Liebeserklärung an unsere schöne Stadt, die von einem lockeren, aber lustigen Handlungsgerüst getragen wird. Weil diese Revue von Zürchern für Zürcher geschrieben wurde, kann sie in keiner anderen Stadt der Welt aufgeführt werden.»

Hat das Stück einen roten Faden, eine durchgehende Handlung? Und was erreicht «s Ängeli, das uf Züri gah mues», wie es im berühmten Schlager von damals heisst, um an der Limmat zum rechten sehen muss, bis zum Ende des Stücks?

Domenico Blass: «Ja, das Stück hat einen roten Faden. Und ich habe mir sogar erlaubt, diesen noch zu verstärken. Was der Engel erreicht, verrate ich aber ganz sicher nicht - denn die Autoren haben einen tollen Schluss geschrieben.»

Wenn es um aktuelle Zürcher Persönlichkeiten geht, kann man sich die bekanntesten an einer Hand abzählen. Schawinski, Blocher, Mörgeli, Köppel, Mauch. Das weltbewegende Zürcher Kunstwerk, der Hafenkran, wird in der Neufassung sicher auch vorkommen, wohl als «Hafechäs» persifliert. Richtig?

Domenico Blass: «Das ist nicht ganz falsch. Aber auch nicht ganz richtig. Wer im Zürich des Jahres 2014 lebt, wird es im Stück wiedererkennen. Und wer darin das Zürich des Jahres 1976 sucht, wird nicht enttäuscht.»

Mit welchem Gefühl soll das Publikum nach Hause entlassen werden?

Domenico Blass: «Vielleicht mit dem Gefühl, dass Zürich reich, aber sexy ist. Erwarten darf der Zuschauer einen stimmungsvollen, unterhaltsamen Abend mit schönen Momenten und vielen Lachern.»

Sie gelten längst als Züri-Kenner, haben vor Jahren mit dem «Slängikon», ein «züridütsches» Wörterbuch herausgegeben. Was fasziniert Sie eigentlich so am Zürcher Charakter? Welche charakteristischen Eigenschaften haben Zürcherinnen und Zürcher, die man anderswo nicht antrifft?

Domenico Blass: «Die Züri-Schnurre ist landesweit bekannt - und dies nicht nur im Guten. Aber sie ist deutlich kreativer und witziger als ihr Ruf, was das «Züri-Slängikon» beweist. An den Zürchern gefällt mir, dass sie sich trotz allem Lokalpatriotismus seit Jahren von Auswärtigen regieren lassen.»

Sind Sie selber eigentlich auch ein typischer Zürcher? Oder au en fremde Fötzel.? Was ist typisch zürcherisch an Ihnen?

Domenico Blass: «Ich komme aus einer Familie, die seit Generationen in dieser Stadt lebt, und habe es auch nie übers Herz gebracht, sie zu verlassen. Ich bin wohl zürcherischer, als mir lieb ist. Ein kleiner Zwingli-Zwängli-Grind.»

Kann eigentlich jeder - «au die viele Usländer» -zum Zürcher mutieren? Könnten auch Aargauer, Basler, Berner so quasi, wenn es denn so etwas gäbe, einen Züri-Pass erhalten? Zugespitzt formuliert: Zürcher haben doch gemeinhin das Gefühl, ab Spreitenbach müsste man den Pass dabei haben.

Domenico Blass: «Es gibt Schweizer Städte, in denen man schon auffällt, wenn man nicht den lokalen Dialekt spricht. In Zürich ist das nicht so. Deshalb würde vielleicht ein Pass Sinn machen. Ich befürchte allerdings, dass ein blauer Züri-Pass nicht so begehrt wäre wie die Green Card.»

Werden Nicht-Zürcher - «praktisch ebä söttig, ohne Züri-Pass» - auch ihren Spass in ihrem Theaterstück haben können, oder muss man mit den charakteristischen Merkmalen, der Züri-Schnurre vertraut sein, dass man im Stück überhaupt «drus chunnt?»

Domenico Blass: «Wer 1x mit dem Züri-Tram gefahren, 1x in einem Zürcher Restaurant gegessen und sich mindestens 1x mit einem Zürcher unterhalten halt, ist für einen Besuch von «Z wie Züri» ausreichend qualifiziert.»

Haben Sie die beiden legendären Theaterautoren von damals, Hans Gmür oder den Suter «Karli», wie man ihn damals nannte, zu ihren Lebzeiten einmal persönlich kennenlernen dürfen? Fühlen Sie sich ihnen seelenverwandt, Sie schauen ja den Menschen auch so genau auf die Lippen, resp. im gegenwärtigen Stück auf die Züri-Schnurre? Oder haben Sie den Mitkomponisten/Musiker Peter Jacques - der ja noch frisch und munter unter uns ist -, einmal für Ihre Arbeit konsultiert. Was wissen Sie von den beiden?

Domenico Blass: «Nein, ich habe mich leider nie mit ihnen unterhalten können. Für die Bearbeitung des Stückes war dies aber auch nicht nötig, denn es spricht für sich selber. Ich respektiere sie alle sehr für ihr Werk, aber um von einer Seelenverwandtschaft zu sprechen, bin ich dann wohl doch zu zürcherisch.»

In der Urfassung spielten Schauspielerinnen mit, die in der breiten Bevölkerung heute noch bekannt und beliebt sind. Suzanne Klee, Monika Kälin, Ursula Schäppi. Die zuletzt erwähnte wurde damals als «Goof» landauf, landab bekannt. Spielen diese Persönlichkeiten von damals in der überarbeiteten Version eine Rolle?

Domenico Blass: «Nein. Aber das war eine tolle Besetzung, keine Frage. Auch die Herren - ganz grosse Klasse.»

Wie erleben Sie eigentlich den Produzenten, André Keller, hauptberuflich Industrieller, der aber als Theaterenthusiast nach «Bibi Balu» jetzt mit «Z wie Züri» das grosse Risiko einer Neuinszenierung auf sich nimmt?

Domenico Blass: «Ich finde es grossartig, dass ein Unternehmer wie André Keller den Mumm hat, eine Bühnenproduktion zu stemmen - und zu finanzieren. Obwohl 'Z wie Züri' ein Loblied auf diese Stadt singt, verzichtet die Produktion auf öffentliche Gelder. Die Kultursubventionen fliessen ja bekanntlich nicht ins Bernhard-Theater, sondern sammeln sich unter anderem in dem Gebäude, das sich darauf erhebt.»

(Die Interviewfragen stellte Heier Lämmler)

«Z wie Züri»
Musical-Komödie von Hans Gmür, Karl Suter zur Musik von Hans Moeckel und Peter Jacques. Aktualisiert von Domenico Blass. 5. November 2014 bis 4. Januar 2015 - Bernhard Theater Zürich.

 

(li/pd)

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