1883: Erde entging Komet nur knapp

publiziert: Dienstag, 18. Okt 2011 / 16:49 Uhr
Das Himmelphänomen, das José Bonilla 1883 fotografierte.
Das Himmelphänomen, das José Bonilla 1883 fotografierte.

Mexiko-Stadt/Wien - Der Planet Erde könnte kurz vor 1900 einem grösseren Kometeneinschlag bloss um Haaresbreite entkommen sein.

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Geophysiker der Universität National Autonoma de Mexico (UNAM) haben Beobachtungen eines mexikanischen Astronomen von 1883 neu ausgewertet, der damals hunderte nicht bestimmte Objekte an der Sonne vorbeiziehen sah. «Das Phänomen wurde bisher nie geklärt. Da UFO-Gläubige das Ereignis immer wieder als Bestätigung für ihre Thesen sahen, haben wir nun eine wissenschaftliche Lösung für das Problem gesucht», so Studienautorin Guadalupe Cordero im nterview.

Späte Neudeutung

Konkret geht es um den Astronom José Bonilla, der als Direktor des Observatoriums in Zacatecas am 12. und 13. August 1883 insgesamt 450 Objekte vor der Sonne sah und diese mittels Nassplatten-Fotografie teils auch festhielt. Der Herausgeber des französischen Journals «L'Astronomie», in dem der Mexikaner seine Beobachtungen 1886 publizierte, interpretierte das Phänomen in seinem Kommentar als «vorbeiziehende Vögel, Insekten oder Staub auf dem Teleskop», während es später manchmal als erster Foto-Nachweis eines unbekannten Flugobjekts (UFO) gepriesen wurde.

Die Forschergruppe um Hector Manterola und Guadalupe Cordero fand nun eine andere Erklärung. Bonilla hat Fragmente eines Kometen beobachtet, die deshalb jeweils in einen Nebel gehüllt und zudem auch so eng beisammen waren, da der Himmelskörper erst kurz davor zerbrochen war. «Das Problem dabei ist, dass weder die Observatorien von Mexiko-Stadt noch jene der Stadt Puebla das Phänomen sahen», so Cordero. Nimmt man das Parallaxen-Phänomen als Erklärung, so war das Ereignis bloss auf einem sehr schmalen Breite - die Stadt Zacatecas liegt auf 22°46' nördlich des Äquators - sichtbar, auf der es 1883 auch auf anderen Kontinenten keine Sternwarten gab.

Erde um 600 Kilometer verpasst

Drei Tage lang sah Bonilla die vor der Sonne vorbeifliegenden Objekte insgesamt dreieinhalb Stunden lang, wobei er je Stunde 131 Objekte verzeichnete, weshalb die Forscher auf eine Gesamtzahl von 3.275 Trümmerteilen hochrechnen. Auf Grundlage der Tatsache, dass es anderswo keine Sichtungen gab, schliessen sie zudem auf die Distanz und Grösse der Fragmente. «Der Durchmesser der Fragmente betrug jeweils zwischen 46 und 1.022 Meter, und ihre Distanz zur Erdoberfläche nur zwischen 538 und 8.062 Kilometern», so die mexikanische Forscherin. Stimmt die These, so verpassten die Teile die Erde somit tatsächlich bloss um ein Haar.

Möglich ist, dass die Trümmer vom Kometen Pons-Brooks stammten, der alle 71 Jahre auftaucht und 1883 in den USA gesichtet wurde, vom Kometen C/1883 D1 oder von einem anderen Kometen. Der Ursprungskomet wog laut den Forschern eine Mrd. Tonnen und war somit vom Kaliber des Halley'schen Kometen. Jedes einzelne seiner Fragmente kam demnach mindestens dem Überbleibsel jenes Kometen gleich, das vermutlich 1908 im sibirischen Tunguska-Becken einschlug. «Bei einem Aufprall auf die Erde hätten wir 3.275 Tunguska-Ereignisse erlebt - vermutlich eine Extinktion», schreiben die mexikanischen Forscher.

Endgültiger Nachweis fehlt

Allerdings fällt auch der jährliche Perseiden-Meteorenregen mit dem Datum 12. und 13. August zusammen, und schliesslich können die Forscher selbst die Wandervögel-Theorie nicht widerlegen. Die letztere, wohl unspektakulärste Variante ist für die Wiener Astronomin Maria Firneis die wahrscheinlichste. «Es ist kaum glaubhaft, dass derartige Himmelskörper bei einem drei Tage langen Vorbeiflug nur von einer einzigen Stelle gesichtet wurden», urteilt die Expertin.

 

 

 

(fest/pte)

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