Boykottaufruf der Muslimbrüder

Ägypter stimmen über neue Verfassung ab

publiziert: Dienstag, 14. Jan 2014 / 07:37 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 14. Jan 2014 / 21:03 Uhr
Knapp 53 Millionen Ägypter sind zur Abstimmung aufgerufen.
Knapp 53 Millionen Ägypter sind zur Abstimmung aufgerufen.

Kairo - In Ägypten hat am Dienstag die zweitägige Abstimmung über die neue Verfassung begonnen. Ein halbes Jahr nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mursi durch das Militär soll die Verabschiedung der Verfassung eine gewisse Rückkehr zu politischer Normalität bringen.

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In einigen Wahllokalen in der Hauptstadt Kairo bildeten sich am ersten Tag der Abstimmung lange Schlangen. Das Innenministerium sprach von einer hohen Beteiligung. Die Abstimmungslokale sind noch den ganzen (morgigen) Mittwoch geöffnet. Ein Ergebnis soll 72 Stunden nach Ende der Abstimmung vorliegen.

Keine Nein-Werbung möglich

Die Muslimbruderschaft, aus deren Reihen der gestürzte und seitdem inhaftierte Präsident Mohammed Mursi kommt, hatte zum Boykott aufgerufen. Doch Werbung für ein "Nein" zur Verfassung oder einen Boykott war praktisch nicht möglich.

Die Zustimmung zur neuen Verfassung galt deshalb als sicher. In den Strassen von Kairo und selbst an den Eingängen zu vielen Wahllokalen hingen zahllose Plakate mit dem Slogan "Ja zur Verfassung, Nein zum Terrorismus".

Stimmungstest

Armeechef Abdel Fattah al-Sissi tourte während des ganzen Tages vor laufenden Fernsehkameras und mit militärischem Gefolge durch Wahllokale in den Kairoer Stadtteilen Nasr City und Heliopolis, um die Bedeutung - und auch die Gefahrlosigkeit - des Referendums zu unterstreichen.

Denn die Übergangsregierung erhofft sich vor allem durch eine hohe Beteiligung eine Stärkung ihrer Legitimität. Das Referendum gilt zudem als wichtiger Stimmungstest für al-Sissi.

Der Vize-Ministerpräsident und Verteidigungsminister ist seit dem Sturz Mursis Anfang Juli der starke Mann Ägyptens. Er hat angekündigt, bei der für dieses Jahr geplanten Präsidentschaftswahl kandidieren zu wollen, "wenn das Volk dies wünscht".

Tote bei Zusammenstössen

Die Abstimmung läuft unter enormen Sicherheitsvorkehrungen ab. 160'000 Soldaten und 200'000 Polizisten seien im Einsatz, um die rund 30'000 Abstimmungslokale zu schützen, berichteten der britische Nachrichtensender BBC.

Kurz vor Öffnung der Urnen um 8.00 Uhr (MEZ) explodierte vor einem Gerichtsgebäude in Kairo ein Sprengsatz. Verletzt wurde niemand, wie ein Sprecher der Polizei sagte.

Der Urnengang selbst verlief weitgehend ohne Zwischenfälle. Reporter der Nachrichtenagentur dpa in Kairo berichteten von Menschenmengen, die vor den Wahllokalen in Feierstimmung warteten. Selbst in Al-Arisch, der Hauptstadt der Unruhe-Provinz Nord-Sinai, verlief die Abstimmung am ersten Tag friedlich.

Bei Zusammenstössen zwischen Islamisten und Sicherheitskräften wurden nach Polizei- und Medienangaben landesweit insgesamt neun Menschen getötet, davon vier im oberägyptischen Sohag und drei im Westen von Kairo.

Überarbeitete Mursi-Version

Die neue Verfassung ist eine überarbeitete Version des Dokuments, das Mursi vor etwas mehr als einem Jahr nach einer Volksabstimmung unterzeichnete. Ausgearbeitet wurde der neue Text diesmal aber nicht von den Muslimbrüdern, sondern von Vertretern der Regierung und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.


Umstrittene Passagen mit einer stark islamistischen Ausrichtung wurden entfernt und die Machtbefugnisse vor allem des Militärs, der Justiz und der Polizei deutlich gestärkt.

Kritiker sehen in dem Verfassungsentwurf deshalb vor allem den Versuch der Armee, ihre Macht abzusichern und ihren Einfluss auf die Politik zu vergrössern. So ist in dem Text zum Beispiel vorgesehen, dass kein Zivilist Verteidigungsminister werden darf.

Armee und Verfassungsbefürworter hingegen bezeichneten die zweitägige Abstimmung als Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie. Experten verweisen auch darauf, dass der Text die Bürger- und Minderheitenrechte stärkt und "die Gleichheit von Frau und Mann in allen zivilen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten" schützt.

Die auf zwei Tage angesetzte Abstimmung dient nicht nur zur Verabschiedung der Verfassung: Wird das Dokument angenommen, sollen im April ein neuer Präsident und später ein neues Parlament gewählt werden.

(fest/sda)

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