Als die Moral baden ging

publiziert: Donnerstag, 4. Sep 2003 / 08:02 Uhr

Frauenfeld - Vor 60 Jahren herrschten am Bodensee noch strenge Sitten: Gebadet werden durfte nur in Badeanstalten, nach Geschlechtern getrennt. Wie die Moral baden ging, beschreibt die Thurgauer Historikerin Eva Büchi in ihrer kürzlich erschienenen Dissertation.

Frauen badeten in den 20er Jahren meist in langen Gewändern. Bild: Bademode in Bath, englische Südküste.
Frauen badeten in den 20er Jahren meist in langen Gewändern. Bild: Bademode in Bath, englische Südküste.
"Mich interessierten weniger die gewaltigen Ballone, die die Badekleider zu Beginn des Schwumms bildeten, als das, was es beim Verlassen des Wassers zu sehen gab, wenn die leintuchartigen Stoffe am Leibe klebten und durchscheinend geworden waren."

Mit diesen Zeilen erinnert sich um 1930 ein Mann aus Romanshorn an eine Episode aus seiner Kinderzeit. Seine Mutter hatte den Knaben aus der Frauenabteilung gezerrt, weil er den badenden Frauen und Mädchen zu reges Intesse entgegengebracht hatte.

Die Historikerin Eva Büchi rückt in ihrer Dissertation die Moral ins Zentrum der Geschichte über die Badekultur am Bodensee. In zahlreichen Quellen belegt sie, wie schwer sich vor allem die katholische Kirche, aber auch viele Gemeindebehörden mit den aufkommenden Badegelüsten der Bevölkerung taten.

Lust und Frust

Dem Trend, sich in aller Öffentlichkeit zu entblössen und sich im Wasser zu amüsieren, traten die Kirchenväter und Gemeindeoberen zwar entschieden, aber letztlich mit geringem Erfolg entgegen.

Vergeblich wetterten sie an Gemeindeversammlungen oder in Leserbriefen über das "unkontrollierte Treiben" am Bodensee-Ufer.

Den Forderungen von Ärzten nach mehr Hygiene und dem Drang der Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter nach Bewegung in freier Natur, konnten sich die Hüter der Moral nicht verschliessen.

Und so baute man die ersten Badeanstalten weit in den Bodensee hinaus, um die Badenden vor neugierigen Blicken zu schützen.

Nach Geschlechtern getrennt

Die hufeisenförmige Architektur der ersten, auf Holzpfählen stehenden Kastenbäder trennte die Gäste in zwei Abteilungen: Rechts badeten Frauen und Kinder, links die Männer. Bei Schuleintritt wurden auch die Knaben in die Männerabteilung verbannt.

Streng waren auch die Kleidervorschriften in diesen Festungen der Moral. Frauen trugen lange Nachthemden, Männer kurzärmelige gestreifte Badegewänder, die vom Hals bis zu den Knien reichten.

Nach 1920 stand beim Baden mehr das Freizeitvergnügen im Vordergrund. Die Leute drängten ans Seeufer. Um das "wilde, unkontrollierte" Baden zu verhindern, bauten die Gemeinden am Seeufer Strandbäder.

Auch hier trennten Holzwände an Land und im Wasser die Männer von den Frauen. Überall beschwerten sich jedoch die Badewärterinnen und Bademeister über Astlöcher, die sich "alljährlich in den Brettern wundersam vermehrten", wie die Autorin schreibt.

Bilder beleben Geschichte

In achtjähriger Arbeit hat die 40-jährige Autorin Archive sämtlicher Schweizer Gemeinden am Bodensee durchgekämmt, um auf die nur knapp vorhandenen Quellen zu stossen.

Diese machen den grössten Teil des Buches aus. Viele Briefe und Protokolle zeugen von einem ernsthaften, manchmal verbissenen Kampf um Moral, der die Leser oft zum schmunzeln bringt.

(Silvia Minder, Quelle: sfd)

 
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