Angehört: Friedman & Liebezeit - «Secret Rhythms 5»
publiziert: Dienstag, 30. Apr 2013 / 21:17 Uhr
Friedman & Liebezeit: Live at Festsaal Kreuzberg (Trailer) (2013) from play loud! productions on Vimeo.
Gerade ist das fünfte Album von Jaki Liebezeit und Burnt Friedman «Secret Rhythms 5» erschienen. Der Super-Drummer Liebezeit und der Freie Musiker Burnt Friedman ergänzen sich grossartig auf diesem aufregenden Percussions-Album, das mit 35 Minuten allerdings etwas kurz geworden ist.
Die Serie «secret rhythms» basiert im Kern auf Liebezeit´s radikalem Trommel Code mit dem sich Friedman´s Metall-Perkussion und Instrumentarium zu einer Einheit verbindet. Das Ergebnis ihrer seit 12 Jahren andauernden Live-und Studioarbeit hat sich zu 8 Beispielen von ausnahmsweise handelsüblicher Stücklänge von 3 bis etwa 5 Minuten verdichtet.
Jaki Liebezeit gilt als einer der wichtigsten Trommler der Welt. Als Gründungsmitglied der legendären Gruppe Can spielte er 1968 bis 1978 Rhythmen wie kein anderer und nahm die Loops moderner Klubmusik um Jahre vorweg. Sein feiner Drum-Sound mit unvergleichlicher Präzision ist auf unzähligen Studioproduktionen zB. von Conny Plank bis Jah Wobble präsent. Die Möglichkeiten des normalen Schlagzeugs schienen ihm Anfang der 90iger Jahre allerdings ausgereizt. Liebezeit vollzog einen radikalen Bruch. Er begann damit, das Trommeln noch einmal neu und anders zu erfinden.
Liebezeit: «Deswegen habe ich inzwischen auch aufgegeben, das herkömmliche, das amerikansiche Schlagzeug zu spielen, habe mich anders orientiert, und spiele einfach nur Trommeln. Es wird mir immer nachgesagt, dass ich so reduziert spiele, aber ich spiele nicht reduziert, ich lasse nur die unnötigen Dinge weg!»
Vom Jazz verabschiedet
Das Prinzip der Einfachheit machte er zum Kern seiner Trommelsprache und fand den Partner in der Umsetzung ist der für detail- und abwechslungsreiche Tracks bekannte Burnt Friedman. Weitgehend unbekannt und unveröffentlicht sind allerdings seine Aktivitäten von 1978 bis Mitte der 90iger, als er zunächst jenseits von Elektronik als Trommler zu musizieren begann. Ganz am Anfang stand das Herstellen des Instruments, als auch das Finden einer Spielmethode aus völliger Unkenntnis über Musik oder was das sein sollte. Alle Versuche einer ad hoc Komposition wurden vom ersten Ton an aufgenommen und konnte als Lernstoff benutzt werden.
Jaki Liebezeit: «Das erste was ich gehört habe, war wahrscheinlich Tanzmusik oder sowas, wie ich 10, 11 Jahre alt war, habe ich Jazz entdeckt, und war ein Jazzfan bis in Ewigkeiten, bis ich eben auch andere Musik gehört habe, ich habe früh angefangen mit Ethnosounds, indische Musik gehört, arabische Musik gehört, habe viel Flamenco gehört in Spanien, was mich sehr beeindruckt hat, weil ich merkte, da läuft mindestes so ein guter Rhythmus wie im Jazz, wenn nicht noch heisser. Und dann habe ich verschiedene Sachen kennen gelernt und die Konsequenzen daraus gezogen und mich vom Jazz verabschiedet, weil ich erkannt habe, dass das ja nicht meine Musik war, das war ja nur angenommen.»
Angeblich wurde Paul Desmond durch die Geräusche einarmiger Banditen zu Take Five (mit Dave Brubeck) inspiriert: "It was the rhythm of the machine which influenced me, and I really only wrote the track to get the money back I lost that night."
Obschon sich auch in der Jazzmusik Beispiele für krumme Rhythmen zB. bei Lennie Tristano bereits 1955 und bei Dave Brubeck 1959 finden, gibt es doch bis heute fundamentale Unterschiede im Verständnis. In westlicher Theorie manifestierten sich die Begriffe Down- und Off-Beat, Polymetrik oder Synkopen, die auf theoretische Inkonsequenzen hindeuten. Sie zeigen, dass dem westlichen Denken die Vorstellung eines einheitlichen, dynamsichen Funktionsprinzips dieser Grooves fremd ist.
Wiederholende Bewegunsmuster
Wer Liebezeit beim Trommeln zuschaut, oder die Secret Rhythms Titel in ihrer Entwicklung verfolgt, kann verstehen, dass der rhythmische Ablauf - ähnlich der traditionellen oder neo-traditionellen Musik im nichtwestlichen Raum - nicht als linear voranschreitender, sondern kreisförmiger begriffen wird. Von einer sich wiederholenden, notwendig balancierten Körperbewegung abgeleitet, entspringt ihm jeder Impuls als gefühlter und nicht etwa notierter. Sind diese basalen Bewegungsmuster ins Gedächtnis des Körpers verlagert, können sie auch spielend auf beliebige Klangkörper, Saite, Trommel, Xylophon oder Klavier übertragen werden, stimmig sind sie ohnedies.
«If you find the way the energy wants to flow naturally, you don´t have to force it.» Marko Rodin (scientist, vortex based mathematics)
Dieses formelhafte, in 2 Zeichen darstellbare, oder in einfache Zahlen übersetzbare System kann man auch als Energieanordnung begreifen zu der man sich ( oder unendliche viele ) synchronisieren. Analog dazu sind auf Secret Rhythms 5 alle Instrumente beim Spielen zur übergeordneten Bewegungsformel synchronisiert.
Burnt Friedman: «Würde ein Tänzer beim tanzen über die einzelne Abfolge seiner Bewegungen nachdenken, würde er vermutlich stürzen. Ich glaube nicht, dass das sogenannte Gehirn den komplexen Ablauf steuert, sondern die in den Körper eingegangene Anordnung selber trägt die Verantwortung. Musikalisch betrachtet besteht diese aus der Wiederholung von Proportionen und Intervallen. Ob es gelingt, ob das Orchester oder die Band gemeinsam in Schwingung gerät, hängt allerdings vom Horchen und der Routine der Musiker ab. Von einer tauben Maschine kann man das nicht erwarten, insofern ist der oft beanspruchte Vergleich von Jaki und einer Maschine nicht überzeugend. So wie ich es verstehe, wurde zu Can Zeiten ganz bewusst mit simplen, repetitiven Grooves gespielt. Die Gruppe jammte or improvisierte nicht, sondern führte aus was von einer musikalischen Struktur vorgegeben wurde. In der Absicht diese Figuren irgendwann wirklich gut spielen zu können, wurden sie überwiegend wiederholt. Was wir heute zum Beispiel auf den frühen Can Platten hören, sind die Protokolle eines Gruppenprozesses der nie zu Ende ging oder eine Idee eines abgeschlossenen Stückes gehabt hätte. Es ist immer Raum geblieben, etwas in anderer Weise dazu zu spielen.»If you find the way the energy wants to flow naturally, you don´t have to force it.
Jaki Liebezeit gilt als einer der wichtigsten Trommler der Welt. Als Gründungsmitglied der legendären Gruppe Can spielte er 1968 bis 1978 Rhythmen wie kein anderer und nahm die Loops moderner Klubmusik um Jahre vorweg. Sein feiner Drum-Sound mit unvergleichlicher Präzision ist auf unzähligen Studioproduktionen zB. von Conny Plank bis Jah Wobble präsent. Die Möglichkeiten des normalen Schlagzeugs schienen ihm Anfang der 90iger Jahre allerdings ausgereizt. Liebezeit vollzog einen radikalen Bruch. Er begann damit, das Trommeln noch einmal neu und anders zu erfinden.
Liebezeit: «Deswegen habe ich inzwischen auch aufgegeben, das herkömmliche, das amerikansiche Schlagzeug zu spielen, habe mich anders orientiert, und spiele einfach nur Trommeln. Es wird mir immer nachgesagt, dass ich so reduziert spiele, aber ich spiele nicht reduziert, ich lasse nur die unnötigen Dinge weg!»
Vom Jazz verabschiedet
Das Prinzip der Einfachheit machte er zum Kern seiner Trommelsprache und fand den Partner in der Umsetzung ist der für detail- und abwechslungsreiche Tracks bekannte Burnt Friedman. Weitgehend unbekannt und unveröffentlicht sind allerdings seine Aktivitäten von 1978 bis Mitte der 90iger, als er zunächst jenseits von Elektronik als Trommler zu musizieren begann. Ganz am Anfang stand das Herstellen des Instruments, als auch das Finden einer Spielmethode aus völliger Unkenntnis über Musik oder was das sein sollte. Alle Versuche einer ad hoc Komposition wurden vom ersten Ton an aufgenommen und konnte als Lernstoff benutzt werden.
Jaki Liebezeit: «Das erste was ich gehört habe, war wahrscheinlich Tanzmusik oder sowas, wie ich 10, 11 Jahre alt war, habe ich Jazz entdeckt, und war ein Jazzfan bis in Ewigkeiten, bis ich eben auch andere Musik gehört habe, ich habe früh angefangen mit Ethnosounds, indische Musik gehört, arabische Musik gehört, habe viel Flamenco gehört in Spanien, was mich sehr beeindruckt hat, weil ich merkte, da läuft mindestes so ein guter Rhythmus wie im Jazz, wenn nicht noch heisser. Und dann habe ich verschiedene Sachen kennen gelernt und die Konsequenzen daraus gezogen und mich vom Jazz verabschiedet, weil ich erkannt habe, dass das ja nicht meine Musik war, das war ja nur angenommen.»
Angeblich wurde Paul Desmond durch die Geräusche einarmiger Banditen zu Take Five (mit Dave Brubeck) inspiriert: "It was the rhythm of the machine which influenced me, and I really only wrote the track to get the money back I lost that night."
Obschon sich auch in der Jazzmusik Beispiele für krumme Rhythmen zB. bei Lennie Tristano bereits 1955 und bei Dave Brubeck 1959 finden, gibt es doch bis heute fundamentale Unterschiede im Verständnis. In westlicher Theorie manifestierten sich die Begriffe Down- und Off-Beat, Polymetrik oder Synkopen, die auf theoretische Inkonsequenzen hindeuten. Sie zeigen, dass dem westlichen Denken die Vorstellung eines einheitlichen, dynamsichen Funktionsprinzips dieser Grooves fremd ist.
Wiederholende Bewegunsmuster
Wer Liebezeit beim Trommeln zuschaut, oder die Secret Rhythms Titel in ihrer Entwicklung verfolgt, kann verstehen, dass der rhythmische Ablauf - ähnlich der traditionellen oder neo-traditionellen Musik im nichtwestlichen Raum - nicht als linear voranschreitender, sondern kreisförmiger begriffen wird. Von einer sich wiederholenden, notwendig balancierten Körperbewegung abgeleitet, entspringt ihm jeder Impuls als gefühlter und nicht etwa notierter. Sind diese basalen Bewegungsmuster ins Gedächtnis des Körpers verlagert, können sie auch spielend auf beliebige Klangkörper, Saite, Trommel, Xylophon oder Klavier übertragen werden, stimmig sind sie ohnedies.
«If you find the way the energy wants to flow naturally, you don´t have to force it.» Marko Rodin (scientist, vortex based mathematics)
Dieses formelhafte, in 2 Zeichen darstellbare, oder in einfache Zahlen übersetzbare System kann man auch als Energieanordnung begreifen zu der man sich ( oder unendliche viele ) synchronisieren. Analog dazu sind auf Secret Rhythms 5 alle Instrumente beim Spielen zur übergeordneten Bewegungsformel synchronisiert.
Burnt Friedman: «Würde ein Tänzer beim tanzen über die einzelne Abfolge seiner Bewegungen nachdenken, würde er vermutlich stürzen. Ich glaube nicht, dass das sogenannte Gehirn den komplexen Ablauf steuert, sondern die in den Körper eingegangene Anordnung selber trägt die Verantwortung. Musikalisch betrachtet besteht diese aus der Wiederholung von Proportionen und Intervallen. Ob es gelingt, ob das Orchester oder die Band gemeinsam in Schwingung gerät, hängt allerdings vom Horchen und der Routine der Musiker ab. Von einer tauben Maschine kann man das nicht erwarten, insofern ist der oft beanspruchte Vergleich von Jaki und einer Maschine nicht überzeugend. So wie ich es verstehe, wurde zu Can Zeiten ganz bewusst mit simplen, repetitiven Grooves gespielt. Die Gruppe jammte or improvisierte nicht, sondern führte aus was von einer musikalischen Struktur vorgegeben wurde. In der Absicht diese Figuren irgendwann wirklich gut spielen zu können, wurden sie überwiegend wiederholt. Was wir heute zum Beispiel auf den frühen Can Platten hören, sind die Protokolle eines Gruppenprozesses der nie zu Ende ging oder eine Idee eines abgeschlossenen Stückes gehabt hätte. Es ist immer Raum geblieben, etwas in anderer Weise dazu zu spielen.»If you find the way the energy wants to flow naturally, you don´t have to force it.
(fest/news.ch mit Agenturen)
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