Konsum-Devolution

Anstehen für Kaffee

publiziert: Dienstag, 15. Mrz 2016 / 07:46 Uhr
Great Depression in den USA 1931.
Great Depression in den USA 1931.

Man hört aus Kriegstagen, dass die Leute früher lange für ein bisschen Kaffee anstehen mussten, es kein Fleisch mehr gab und Salz, Wasser oder Schokolade ein Vermögen kosteten. Heute ist es wieder soweit, allerdings nicht aus Mangel sondern aus Luxus.

1 Meldung im Zusammenhang
Neulich wollte ich im Starbucks einen schnellen Kaffee für unterwegs und zwängte mich durch den Kinderwagen-Parkplatz zur langen Warteschlange. Wäre es ein Amt, würden die Wartenden bestimmt fluchen. Nicht so im Kaffee-Zauberland, wo das (noch) kostenlose Warten zum Kaffeeerlebnis gehört - akustisch begleitet vom Kreischen der Milchschäumer und quengelnden Kleinkinder, die um die Aufmerksamkeit ihrer Cool-Moms kämpfen, die mit ihren «Girls» am «käfälä» sind.

Ist es nicht verrückt, dass wir freiwillig eine halbe Stunde anstehen, um einen Kaffee selbst abzuholen, der zehn Franken kostet und eigentlich nichts weiter ist als ein Milchkaffee mit komplizierten Namen wie «Honey Blossom Macciato»? Und sowieso: In welcher Sprache bedeutet «Venti» gross? 

Während ich die Starbucks-Eigennamen auswendig kennen muss, scheren sich die Starbucks-Mitarbeiter nicht darum, ob mein Name korrekt auf dem Becher steht. Das ärgert mich, weil Jörg und Jürg zwei verschiedene Namen sind; wie etwa Tim oder Tom, Boris oder Doris. Man kauft sich auch kein Tutu, wenn man Toto spielen will. Oder bekommt einen «Grande», wenn man einen «Tall» bestellt hat.

Auch Salz ist ja heute nicht mehr einfach nur Salz; es ist mehr als Salz, mindestens Meersalz. Ob Fleur de Sel aus Ibiza, Blausalz aus dem Iran oder rosa Salz vom Himalaya: Schweizer Salz aus dem Jura ist einfach nicht exotisch genug. Im Sinne von: Wenn ich nicht schon um die halbe Welt reisen kann, dann wenigstens mein Salz.

Wie das Wasser, welches nicht mehr bloss aus dem Wasserhahn kommen darf sondern mindestens sieben Sprachen sprechen muss. Logistisch ist es ein Rückschritt, Flaschen in Wasser zu füllen, seit es Wasserleitungen gibt.

Und wenn ich mich schon aufrege, dann besonders über Bruchschokolade. Es gibt Ladenketten, die verkaufen nichts anderes als Bruchschokolade. Das konnte man schon früher kaufen, als Ausschuss von den Schokoladenfabriken.

Ich dachte lange, dass es Bruchschokolade heisst, weil sie nur einen Bruchteil des Ladenpreises kostete. Heute ist genau das Gegenteil der Fall. Bruchschokolade kostet in Bruchschokoladen-Läden das Vielfache von dem, was herkömmliche Markenschokolade kostet. Dabei wäre sie noch günstiger wegen der ungünstigen Verpackungsart der Schokolade; durchsichtige Folie.

Und zum Schluss noch eine Frage: Wieso sind Vegi-Restaurants so überrissen teuer? Ist das Weglassen von Fleisch bereits ein Mehraufwand?

Vielleicht macht jemand mal ein Restaurant auf, in dem es nichts gibt. Ausser einer gepfefferten Rechnung, die es dafür in verschiedene Grössen zum Mitnehmen gibt.

(Jürg Zentner/news.ch)

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