Zeitungskommentatoren fordern

Appell an Kompromissbereitschaft der SVP

publiziert: Donnerstag, 10. Dez 2015 / 07:00 Uhr / aktualisiert: Freitag, 11. Dez 2015 / 07:17 Uhr
Die Zeitungen fordern die Kompromissbereitschaft der SVP.
Die Zeitungen fordern die Kompromissbereitschaft der SVP.

Bern - Fast einhellig fordern die Zeitungskommentatoren die SVP nach der Wahl ihres zweiten Bundesrats Guy Parmelin dazu auf, Regierungsverantwortung zu übernehmen und Hand zu Kompromissen zu bieten. Einige zeigen sich aber skeptisch, ob die Partei das tun wird.

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«Neue Zürcher Zeitung»: Der Wechsel von Widmer-Schlumpf zu Parmelin ermöglicht, dass auch die SVP wieder ohne Wenn und Aber an ihre staatspolitische Verantwortung erinnert werden kann. Das gebetsmühlenartig repetierte Lamento dieser Partei über das konkordante Foulspiel der anderen Parteien muss jetzt ein Ende haben. Das Pendel hat sowohl im Bundesrat als auch im Parlament nach rechts ausgeschlagen. Das heisst: Die SVP muss aufhören, am laufenden Band zu den Waffen der Opposition - Volksinitiativen, Referenden - zu greifen. Sie muss tragfähige Lösungen konstruieren, mit den anderen bürgerlichen Parteien parlamentarische Mehrheiten schaffen und diese nötigenfalls vor dem Souverän verteidigen.

«Der Bund»: Er wird von vielen als mittelmässig, uninspiriert und langweilig belächelt. Doch vielleicht geht Guy Parmelin eines Tages in die Geschichtsbücher ein: als Bundesrat, der dazu beigetragen hat, dass sich die Schweizer Politik etwas beruhigt hat. Und als Katalysator eines Prozesses, an dessen Ende die SVP wieder vielfältiger, flexibler und massvoller geworden ist. (...) Ob das Experiment gelingt, hängt im Wesentlichen von der SVP ab. Erweist sich der zweite SVP-Sitz politisch als nutzlos, ist das Parlament frei, der Partei bei nächster Gelegenheit wieder einen Sitz wegzunehmen.

«Tages-Anzeiger»: Die gestrigen Bundesratswahlen hinterlassen ein zwiespältiges Gefühl. Die SVP hat erhalten, wofür sie jahrelang kämpfte. Die Voraussetzungen wären also gegeben, dass die Partei von ihrem latenten Oppositionsmodus abrückt und (...) mehr Verantwortung übernimmt. (...) Die SVP hat es in der Hand, nun alle jene eines Besseren zu belehren, die ob ihrer Radikalisierung besorgt sind. Sie hat es in der Hand, sich als konstruktive Kraft an den Reformen zu beteiligen, die aufgrund der demografischen Herausforderung und der internationalen Vernetzung unseres Landes unabdingbar sind. Die Partei müsste dazu nicht ihre Kernforderungen über Bord werfen. Sondern zurückfinden zum Kompromiss, den sie einst beherrschte. Denn eine Partei dieser Grösse sollte nicht länger der Stachel im Politbetrieb sein.

«Basler Zeitung»: Es ist bedeutsam, dass in unserem Land eine der grössten Anti-Mainstream-Parteien Europas nach gut schweizerischer, friedlicher Manier integriert worden ist. Unsere Nachbarn, auf die unerträgliche Auseinandersetzungen zukommen (Frankreich, aber auch Deutschland), werden uns noch beneiden - ja, um genau diese bald verhasste, bald verachtete, immer unbeliebte, weil stachlige und ruppige Partei, die sich SVP nennt. Für diese wird im Übrigen die kommende Zeit am anspruchsvollsten. Auch sie trägt nun die Verantwortung für alles, was schief oder glänzend läuft in diesem Land - nie mehr kann sie sich davonstehlen mit dem Hinweis, sie sei in der Regierung ohnehin bloss geduldet. Ihr Risiko ist am grössten - und kluge Politiker der Konkurrenz hätten das vielleicht schon viel früher erkannt und danach gehandelt.

«Nordwestschweiz»: Die Politik muss jetzt endlich zu einer Kultur zurückfinden, in der jede Partei für ihre Überzeugungen kämpft, am Ende einen Kompromiss mitträgt, mit dem alle gleichermassen unzufrieden sind, aber damit leben können. Wenn eine Partei gleichzeitig in der Regierung sitzt und auf Opposition macht, wenn eine Partei lieber Probleme bewirtschaftet, weil sie damit Wähler gewinnt, als zu einer Lösung beiträgt: Dann ist unsere Demokratie helvetischer Ausprägung nicht überlebensfähig. Dann landen wir bei Regierung und Opposition wie in anderen Demokratien.

«Berner Zeitung»: Die Wahl ging alles in allem unspektakulär über die Bühne. Die Bundesversammlung hat den Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz ohne Wenn und Aber anerkannt. Als wählerstärkste Partei steht die SVP nun in der Pflicht, Lösungen zu präsentieren, Kompromisse zu finden, Mehrheiten zu schaffen. In den letzten Jahren hat dies die SVP verlernt. Allzu oft kämpfte sie mit den Waffen der Opposition. Reihum sind die Erwartungen hoch. Die SVP steht unter Beobachtung. Verhält sie sich wider Erwarten weiter destruktiv, könnte eine Regierung ohne SVP-Beteiligung zu einer echten Option werden.

«Blick»: Und nun also Guy Parmelin, ein Offizieller aus einem blassen Kandidaten-Trio der SVP, ebenfalls gewählt mit zahlreichen Mitte-links-Stimmen. Und was die Bundesversammlung mit diesem Knicks vor der SVP erhofft, ist klar: weniger Opposition, weniger Initiativen, weniger Referenden. Das entscheidet wiederum die SVP ganz allein. Ob sie das tut, ist freilich mehr als fraglich.

«Walliser Bote»: Das Parlament durchkreuzte die Taktik der SVP. Deren Plan, bei einem unwählbaren Lega-Mann und einem schwachen Romand würde die Bundesversammlung notgedrungen auf den smarten Blocher-Zögling Thomas Aeschi einschwenken, schlug fehl. Wenn man sieht, wie der einst so angriffige Parteipräsident Ueli Maurer im Kollegialsystem der Regierung seine Zähne ausbiss, ist von Parmelin nicht zu erwarten, dass er den Bundesrat ideologisch zu beeinflussen vermag. Daraus folgt: Der zweite Regierungssitz wird an der Rolle der SVP im Parlament nichts ändern.

«Neue Luzerner Zeitung»: In der Konsequenz wird die Wahl vor allem die politische Mechanik des Landes stabilisieren. Und das ist gut so, denn Stabilität erhöht die politische Berechenbarkeit und somit auch die wirtschaftliche Attraktivität der Schweiz. Zugleich ist die klar grösste Partei des Landes, die SVP, wieder ordnungsgemäss mit zwei - selbst bestimmten - Vertretern in der Landesregierung präsent. So besehen ist der Poker der SVP-Wahlleitung aufgegangen. Die Konkordanz ist wiederhergestellt. (...) Wie Parmelin als Departementsvorsteher und als Mitglied der Kollegialbehörde Bundesrat seine Sache tatsächlich machen wird, das bleibt schlicht abzuwarten. Es sind schon klar Profiliertere im Amt gescheitert, während andere im Bundesrat richtiggehend aufblühten.

«St. Galler Tagblatt»: Nun kann sich der Bundesrat einigermassen unbelastet den kommenden Herausforderungen widmen. Die SVP hat glaubwürdig dargelegt, dass sie ihrem Wählerauftrag entsprechend mehr Verantwortung übernehmen will. Die vereinigte Bundesversammlung hat das Angebot akzeptiert und die SVP dadurch auch in die Pflicht genommen. (...) Die Partei treibt gerne mit grundlegenden eidgenössischen Werten populistische Spielchen und geht dabei nicht selten bewusst über die Schmerzgrenze. Anzunehmen, dass sich dies nun schlagartig ändert, wäre naiv. Dennoch: Diese Partei gehört mit ihren politischen Vorstellungen in den Bundesrat, sie vertritt fast einen Drittel der Wählerinnen und Wähler.

«Südostschweiz»: Die Herausforderungen, denen unser Land gegenübersteht, sind vielzählig und komplex. Was wir brauchen, ist eine starke Regierung, die Hand in Hand arbeiten und den Gedanken der Konkordanz wirklich leben und mittragen wird. (...) Hoch ist die Erwartungshaltung aber auch ganz generell gegenüber der SVP. Sie hat ihren zweiten Bundesratssitz erhalten und muss damit die Ecke der Opposition verlassen und an den Verhandlungstisch zurückkehren. Jetzt hat die Volkspartei Gelegenheit, der Wählerschaft sowie den Kritikern aufzuzeigen, dass beziehungsweise wie sie ihre Wahlversprechen einlösen will.

Watson.ch: Gewählt hat das Parlament das kleinste Übel. Mut hätte es gehabt, wenn es Norman Gobbi gekürt hätte. Der Tessiner war trotz seines Rufs als «Lega-Hooligan» der geeignetste Kandidat. Nun hat die SVP der Schweiz einen halben Bundesrat beschert. Das ist an sich nichts Neues, mittelprächtige Figuren in der Landesregierung waren eher die Regel als die Ausnahme. Und wer weiss, vielleicht entwickelt Guy Parmelin in seinem Amt ungeahnte Qualitäten.

Tageswoche.ch: Die Wahl von Guy Parmelin in den Bundesrat bedeutet keinen Aufbruch. Sie ist das nächste Trümmerstück im jahrelangen Abbruch, den die politische Schweiz erfährt. Es gibt keinen Grund zu feiern oder auch nur erleichtert zu sein. (...) Die SVP muss nicht «eingebunden», «in die Verantwortung genommen», gehätschelt werden. Ihr Machtstreben muss gestoppt werden. Mit einer selbstbestimmten bürgerlichen Alternative, die nicht mit der Aussicht auf bescheidene Wahlerfolge mit einer Partei zusammenspannt, die liberale Werte und rechtsstaatliche Grundsätze kontinuierlich mit Füssen tritt.

Westschweizer Presse

Die Kommentatoren in der Romandie haben sich viel stärker als ihre Deutschschweizer Kollegen auf die Person des neuen Bundesrates konzentriert. Für «Le Temps» ist Parmelin ein «Rätsel»: Niemand wisse, ob er die Regierungsfähigkeit habe und ob seine Kompetenzen über die Sozialversicherungen hinausgingen, heisst es im Blatt.

Erst mit der Zeit zeige sich jeweils, ob ein Bundesrat das Format für das Amt habe, schreibt «Le Matin». Bei den tiefen Erwartungen könne er nur positiv überraschen, schreibt «Le Nouveliste».

Parmelins Wahl auf die Umstände zurückzuführen, wäre unfair, schreibt «24 Heures». Er sei ein «kompetenter, intelligenter Mann mit politischem Instinkt und einer menschlichen Seite», was ihn zu einem soliden, zuverlässigen und überlegten Gesprächspartner mache.

«L'Express» und «L'Impartial» befürchten, dass der Waadtländer dereinst von der SVP als «halber Bundesrat» hingestellt werde könnte. Dies würde den Parteianhängern um Christoph Blocher die Fortführung ihrer Doppelrolle in Regierung und Opposition erlauben. Dass die SVP diese Rolle aufgibt, daran zweifelt auch «La Liberté».

«Le Courrier» zeigt sich derweil beunruhigt über die Mehrheit von SVP und FDP in der Regierung. Parmelin bleibe trotz Nuancen ein Vertreter der SVP.

(sda)

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