Arrivederci

Da bereite ich mich nach den ersten zwanzig Sekunden von Deutschland - Italien mental darauf vor, dass es nach 120 Minuten weiter Unentschieden steht, dass es zum Elfmeterschiessen kommt, dass die Deutschen dort gewinnen, ins Finale einziehen, und ich mich anschliessend mehr oder weniger gutgelaunt - schliesslich wurden die Argentinier nach Hause geschickt - an die Torstrasse am Prenzlauer Berg stelle, mir die hupenden Autokorsos, die fröhlich vor Schweiss triefenden Gesichter anschaue, und mir Gedanken darüber mache, wie ich all diese Eindrücke, diese vor überschäumender, manchmal nicht ganz ernstzunehmender, Gelassenheit geprägte Stimmung in meinen Text verpacken kann, ohne auch nur ein Detail dieses bunten Treibens weglassen zu müssen, und dann, ja dann beschliessen die Italiener, etwas gegen meinen Plan zu haben, und tun dies in der zweitletzten Minute.

Leidenszeit und Rosabrille

Sie haben nicht nur meinen einfältigen Plan durchschaut, sondern mir auch gleich noch gezeigt, wie unflexibel ich bin. Denn ich hatte nicht damit gerechnet, über traurige Deutsche zu schreiben. Traurige Deutsche, oder, um realistisch zu bleiben: Traurige Deutsche Fussballfans gibt es in diesem Land seit Wochen keine. Dass sich dies geändert hat, möchte ich aber frühestens morgen einsehen. So viel Rosabrille muss sein.

Autokorsos gabs trotzdem

Eins sei aber noch gesagt: Autokorsos zogen gestern Abend gleichwohl durch Berlin. Autokorsos mit Italienfans. Und ein Italiener, klein und heiser, schrie alle fünf Meter jenes Wort in den Nachthimmel, das die Bild-Zeitung gestern noch zur Provokation in grün-weiss-roten Lettern auf ihre Titelseite geschrieben hatte: Arrivederci.

(Romano Paganini/news.ch)