Atomausstieg: Wird Klimapolitik dadurch absurd?

publiziert: Dienstag, 13. Sep 2011 / 09:00 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 13. Sep 2011 / 11:27 Uhr

Je länger die Zeit fortschreitet, desto konkreter wird die eiligst beschlossene Energiewende. Noch schneller geht es in Deutschland voran - mit grossen Mühen allerdings. Die Deutsche Netzagentur plagt nämlich die zentrale Frage, wie die Stabilität des Stromnetzes aufrecht zu erhalten ist - eine Frage, die auch die Swissgrid beschäftigt.

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Deutschland muss Atomkraftwerke bauen
Der australische Klimaforscher Barry Brook kämpft unverdrossen für die Kernkraft. Sie sei sauber und sicher. Die wahre Gefahr für die Menschheit geht von Kohlekraftwerken aus, sagt der Wissenschaftler. Ein Interview.
faz.net

AKW abstellen ist leicht gesagt, doch woher stammt das Ersatzpotenzial, das eine sichere Stromversorgung zulässt? Die Alternativen sind schnell benannt und basieren alle auf der Renaissance der fossilen Energieträger: Kohle-, Öl-, und Gaskraftwerke. In der Schweiz sind vor allem letztere auf die Traktandenliste gerückt.

Wird ein Atomausstieg das Klima belasten?

In der internationalen Klimapolitik war aber immer davon zu lesen, dass die Abkehr von fossilen Energieträgern, auch um damit Strom zu produzieren, beschleunigt werden muss. Die Zeit sei knapp und handeln müsse man sofort.

Mit einem Verzicht auf Atomstrom tut sich ein krasser Widerspruch auf, der auch bei den Klimaforschern heiss diskutiert wird. Zum Beispiel Barry Brook, ein australischer Klimaforscher, steht nach wie vor dazu, dass der Atomausstieg zulasten des Klimas ginge 1. Mit dem sofortigen Handeln in der internationalen Klimapolitik war wohl kaum gemeint, AKW möglichst schnell abzustellen und stattdessen Kohlekraftwerke zu bauen.

Gaskraftwerke nur mit Abwärmenutzung einigermassen klimafreundlich

Ein konkretes Beispiel: In der Stadt Bern wird ein neues Gaskombikraftwerk in Zusammenhang mit der neuen Kehrichtverbrennungsanlage errichtet. Die Stromerzeugung der Energiezentrale Forsthaus basiert nur rund zu einem Fünftel auf der Verbrennung von Holz respektive Abfall, der Rest basiert auf Gas. Diese hybride Anlage (vgl. Abbildung 1) hat daher einen gravierenden Haken: Die Gasverbrennung erzeugt jährlich etwa 100'000 Tonnen CO₂. Nur mit der optimalen Nutzung der Abwärme der Anlage, die dann andere CO₂-Quellen ersetzt, lässt sich diese Energiezentrale klimapolitisch einigermassen rechtfertigen. Fehlt diese Optimierung, ist die Energiezentrale Forsthaus eine einzige CO₂-Schleuder. Tatsache ist: Egal wie die Abwärme genutzt wird, die Anlage stösst pro Jahr 100'000 Tonnen CO₂ aus. Die Massnahmen, um diese riesige Menge zu kompensieren, sind beschwerlich.

1 Gaskraftwerk macht CO₂-Einsparungen der Schweizer Wirtschaft zunichte

Dass in der Schweiz die CO₂-Kompensation nicht einfach ist, zeigt die Energieagentur der Wirtschaft (EnAW). Über 2100 Unternehmungen konnten im Jahr 2010 eine CO₂-Reduktion von rund 1.3 Mio. Tonnen bewirken, (vgl. Abbildung 2). Ein Gaskraftwerk mit 600 Megawatt elektrischer Leistung würde diese eingesparte Menge in etwa eliminieren - auf einen Schlag.

Da jedoch ein Gaskraftwerk dieser Grössenordnung nicht reichen wird, um andere Energieformen sowie Importe aus Kohlestrom oder französischen AKW-Strom zu ersetzen, lässt sich leicht erahnen, dass die Schweizer Energie- und Klimapolitik an einem Scheideweg steht. Ersetzen wir die Atomkraftwerke, Stromimporte aus Kohle- und Kernstrom mit Gaskraftwerken, müssen wir uns der Konsequenzen bewusst sein: Zwei bis drei neue grosse Gaskraftwerke stossen im besten Fall drei Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr aus. Wer und wie das zu kompensieren ist, weiss heute niemand. Dieser Zusammenhang muss in der Frage der Energiezukunft klar bekannt sein, sonst droht die beschwerliche Klimapolitik ins Absurde abzudriften.

Ein erster Schritt in Richtung dieser Absurdität kann bereits bei der Beratung des CO₂-Gesetzes im Nationalrat verhindert werden. Alle CO₂-Emmitenten müssen gleich lange Spiesse haben. Einer Asymmetrie, wonach generell alle CO₂-Emmissionen im Inland kompensiert werden müssen und gleichzeitig potenzielle neue Gaskraftwerke bis zu 80% im Ausland reduzieren können, ist entschieden entgegenzutreten.

1siehe weiterführende Links

(Christian Wasserfallen/ETH-Zukunftsblog)

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