Atomenergie: Nicht mehr Übergangstechnologie sondern Langfristoption

publiziert: Freitag, 9. Sep 2011 / 10:00 Uhr / aktualisiert: Montag, 12. Sep 2011 / 17:42 Uhr
Daniel Spreng ist emeritierter Professor, Bereich Energiewirtschaft und Energieanalyse.
Daniel Spreng ist emeritierter Professor, Bereich Energiewirtschaft und Energieanalyse.

Es ist bemerkenswert, wie die Politik mit der Atomenergie umgeht. Während Jahrzehnten wurde sie als Übergangstechnologie bezeichnet. Doch am 30. August 2011 hat die Energiekommission des Ständerats (UREK-S) sie zur Langfristoption erklärt. Beide male ging es ums Gesichtwahren der unterlegenen Seite.

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Lange haben die Befürworter der Atomenergie den Gegnern zugestanden, dass die Atomenergie keine Langfristoption sei, sondern eine Übergangstechnologie. Die Absicht war, die Gegner nicht allzu sehr darüber zu verärgern, dass Atomkraftwerke gebaut und betrieben werden. Die Sprachregelung gab gleichzeitig den Gegnern die Möglichkeit, prinzipiell gegen Atomenergie zu sein, ohne für unpopuläre Sofortmassnahmen eintreten zu müssen.

Nun hat sich die Situation gekehrt: In der UREK des Ständerats haben jetzt, nach Fukushima, die Gegner der Atomenergie den Befürwortern zugestanden, dass Atomenergie allenfalls langfristig doch eine Option sein könnte, falls sie sicherer werde.

Energiepolitik muss langfristig sein

Als die Atomenergie mehrheitsfähig war, wurde sie als «Übergangsenergie» bezeichnet. Jetzt, wo die Mehrheit des Stimmvolkes und der Politiker offensichtlich für den Ausstieg aus der Atomenergie ist, wird die Hoffnung der Kernenergiebefürworter auf den Bau weiterer Anlagen nicht begraben, vielmehr werden sie auf die Zukunft vertröstet. Offensichtlich wird die langfristige Beurteilung gerne der kurzfristigen Entscheidungshoheit geopfert.

Die Energiewirtschaft gleicht jedoch einem Supertanker. Energieproduktionsanlagen und viele Energieverbrauchsgüter (z.B. Häuser) haben eine lange Lebensdauer und können nicht alle von heute auf morgen ersetzt werden. Zudem brauchen Veränderungen von Gewohnheiten und Institutionen viel Zeit. Kursänderungen in der Energiepolitik wirken sich nur im Laufe von Jahrzehnten aus. Die Geringschätzung der langen Sicht ist in der Energiepolitik nicht angebracht.

Es braucht einen Plan B

Im ersten Moment war ich erfreut über die Einschätzung der UREK-S, dass die Atomenergie eine Langfristoption sein soll. Die Sicht der Dinge entspricht der, die ich persönlich schon Jahrzehnte gehabt habe. Die Atomenergie ist eine immer noch sehr neue Technik und die bis vor kurzem geplanten Werke sind bezüglich Sicherheit sub-optimal. Man hätte nach Tschernobyl sichere Typen entwickeln müssen.

Wäre der Entscheid der UREK-S nicht als Trostpflaster für die Befürworter gemeint, sondern «gouverner, c'est prévoir», dann hätte er eine bescheidene, aber vielleicht wegweisende positive Auswirkung auf die Energieforschung, auf die Atomkraft-Branche und auf unsere Energiezukunft. Denn «prévoir» (vorausschauen) bedeutet für mich bezüglich Energiepolitik, dass es auch einen Plan B braucht. Als jemand, der Jahrzehnte lang Bemühungen zum Energiesparen analysiert hat, empfehle ich einen solchen Plan B für den Fall, dass das Energiesparen nicht ganz so einfach wird, wie viele das heute meinen. Ich fürchte, dass das modische Wort «Energieeffizienz» die Energiepolitiker noch immer blendet, obwohl die Energiesparpolitik der vergangenen 35 Jahre ihr Ziel nicht erreicht hat. Die grossen Erfolge beim energieeffizienten Bauen zum Beispiel wurden durch die Zunahme der Wohnflächen vollumfänglich aufgefressen.

Energiesparen ist erstrebenswert, technisch leicht möglich, volkswirtschaftlich kein grosses Problem, aber politisch und gesellschaftlich eine riesige Herausforderung. Dasselbe gilt für den massiven Ausbau der neuen erneuerbaren Energien. Diesen Herausforderungen sind wir - ohne Krise - wohl kaum gewachsen.

(Prof. Daniel Spreng/ETH-Zukunftsblog)

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