Aus dem Steuer geraten

publiziert: Donnerstag, 21. Feb 2008 / 11:11 Uhr / aktualisiert: Montag, 25. Feb 2008 / 19:50 Uhr

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Es begann mit einem Datendiebstahl und entwickelt sich immer mehr zu einem Eklat, der ganz Mitteleuropa erschüttern könnte. Der Liechtensteiner Steuerskandal wirft ein faszinierendes und auch entlarvendes Bild auf jene Leute, die sich gerne als Vorbilder und Vorreiter der Gesellschaft sehen und darstellen.

Plötzlich stehen sie als Lügner und Betrüger da, die den Staat um Millionen an Steuern und Abgaben prellen. Dabei wird diesen «Staatsschädlingen» von Liechtenstein und der Schweiz geholfen, ihr Geld vor dem Deutschen Staat zu verstecken.

Auch wenn momentan vor allem das Fürstentum im Rheintal im Fadenkreuz von Deutschland ist, sollten wir Schweizer uns nicht allzu sicher fühlen. Auch hier könnten Daten geklaut und an den BND verschachert werden – vor allem weil der Marktpreis von 5 Millionen Euro pro DVD nun in der Öffentlichkeit steht. Ein für manche Bankangestellte vielleicht reizvolles Angebot, wenn sie eine ausserplanmässige Frühpensionierung anstreben.

So hat denn Deutschland Gauner mit Hilfe eines anderen Gauners geschnappt und – sollten diese Daten gerichtlich verwertet werden können – eine rechtliche Vorlage gegeben, in Zukunft Geheimdienste zur Steuerfahndung einzusetzen und nicht zur Terrorabwehr und anderen Unwichtigkeiten.

Was hingegen gar nicht zu Sprache kommt, in dem ganzen Trubel, der da im Moment veranstaltet wird, ist das Wesen der Steuern, deren Verwendung und auch deren Verschwendung. Niemand zahlt gerne Steuern (ausser der Berner Stadtpräsident Tschäppät, der dies von sich vor kurzem behauptete) und bemüht sich vermutlich je nach seinen Möglichkeiten darum, die Rechnung so klein wie es geht zu halten, wenn man dieser teuren Pflicht nachkommt.

Doch nicht nur der Steuerzahler, auch der Staat hat eine Verpflichtung: Nämlich jeden Franken, Euro oder was auch immer einkassiert wird, so sorgfältig wie möglich zu verwenden. Doch genau das passiert nicht. Weder in Deutschland, noch in der Schweiz oder sonst wo. Denn am Ende ist es fast das gleiche, ob Steuern hinterzogen oder Steuern verschwendet werden.

In der Schweiz ist das jüngste, spektakuläre Beispiel der Sozialhilfe-Skandal in Zürich, wo unter der Amtsvorsteherin Monika Stocker ohne Kostenrechnung und Verantwortungsbewusstsein irgendwelcher Art gegenüber den Steuerzahlern Geld versaut wurde. Doch es gibt noch viele andere kleinere und grössere Fische im Teich der Verschwendungen. Wenn mit viel Geld Verkehrskreisel mit Sichtbehinderungen ausgestattet, Kulturfördergelder vermauschelt, unnötige Militärbeschaffungen getätigt, überholte Subventionen aus reiner Bequemlichkeit weiter bezahlt werden, dann ist dies genau ein gleicher Beschiss am Staat – das heisst: uns allen – wie die Hinterziehung von Steuern. Und sollte genau gleich bestraft werden.

Aber dafür mag sich kein Politiker stark machen, mag keiner aufstehen. Vor allem in Deutschland, das momentan vorprescht und sich als Hüterin der Steuer-Moral darstellt, dürfte sich kaum ein Volksvertreter finden, der die Bestrafung von Steuerverschwendern glaubhaft fordern würde.

Dies ist vielleicht ein Teil des Problems, weshalb – speziell auch unter reichen Steuerzahlern, die vielfach tiefen Einblick in das Räderwerk des Staates haben, den sie bescheissen – das Hinterziehen von Steuern fast wie ein Sport betrachtet wird.

Die Empörung ist denn auch zu einem grossen Teil einfach Neid darauf, dass diese Leute, die sowieso schon mehr als genug haben, zudem noch über Möglichkeiten verfügen, ihre Vorteile weiter zu vergrössern. Von Mitleid mit und Sorge für den Staat hingegen ist nichts zu spüren. Das Opfer wird nicht als Opfer wahrgenommen. Dies ist das eigentliche Problem, das ist der 800-Pfund-Gorilla im Wohnzimmer, den niemand wahrnehmen will: Der Staat, das sind die Bürger. Doch die wollen nicht daran erinnert werden und das ist sehr bedauerlich. Irgendwas, so scheint es, ist da aus dem Steuer geraten.

(von Patrik Etschmayer /news.ch)

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