Zum ersten mal in diesem Jahrtausend steht sie wieder vor der Tür: Frau Fasnacht, die Holde. Allenthalben wird ihr Kommen vorbereitet: Gepinselt, gestrichen, geguggt, gepfiffen, getrommelt, Schnitzelbänke gezimmert und Kostüme geschnurpft. - Und äussersten Zipfel des Baselbiets, im Sundgauerdorf Allschwil bereitet sich Annelies Studer auf ihren letzten Einsatz als "Hüülwyb" vor. Allschwil feiert nämlich die sogenannte "neue", die katholische Fasnacht nach gregorianischem Kalender, also eine Woche vor der Basler. Diese endet traditionell mit dem Aschermittwoch, dieses Jahr am 8. März.
Traurig, oh wie traurig
Dann wird die fröhlichste Zeit des Jahres nach einem Trauerzug auf dem Dorfplatz kremiert. "Frau Fasnacht" wird in ihrem Sarg aufgebahrt, Herr Pfarrer "Donnerrhetorius" eine Grabrede halten. Es wird wie seit Jahren eine schauerliche Brandrede sein, noch einmal wird den Allschwilern die Leviten gelesen. Immer wieder wird er durch Klagen und Heulen unterbrochen: Annelies Studer, gekleidet als "Alti Tante" mit Trauerschleier wird den fröhlichen Nekrolog unterbrechen. Dann wird sie den Nachlass der Frau Fasnacht, kleine Säcklein mit Köstlichkeiten, an die Dorfjugend verteilen.
Es hat sich ausgeheult
Annelies Studer ist eine Fasnächtlerin mit Haut und Haaren. Fröhlich sitzt sie im "Landhüüsli" am Allschwiler Dorfplatz. Sie trägt noch das Überkleid, denn den ganzen Samstag hat sie zusammen mit ihrer Clique "Rue de Boef" beim Wagenbau verbracht. - Sie ist eine Frau die anpacken kann: Jahrzehntelang führte sie zusammen mit ihrem Mann Paul, auch er ein Fasnachtsnarr, eine Firma, die Metallgestelle für Läden herstellte. Sie erzählt von vergangenen Fasnachten, von Heulen und Zähneklappern am Achermittwoch. - Und doch ein Wermutstropfen ist zu spüren: Dieses Jahr wird es sich ausgeheult haben. "Irgendeinmal ist Schluss", meint sie "man soll aufhören, so lange es noch lustig ist. Jetzt sucht sie eine Nachfolgerin. Wie sie sein soll? - "Eine Fasnächtlerin mit Sinn für Tradition." sinniert Annelies Studer. "Sie soll sich auch nicht scheuen vor der Fasnacht im Dorf Geld zu betteln, damit die Kinder wie jedes Jahr ihren Obulus erhalten." Dann sind 270 dieser Geschenke zu basteln: Liebevoll mit einem letzten Gruss von Frau Fasnacht versehen. - Und nicht zuletzt soll sie herzerweichend und laut heulen und klagen können um Pfarrer "Donnerrhetorius" und die Guggenmusik zu übertönen." Die Augen von Annelies Studer strahlen. Sie freut sich schon jetzt auf ihren letzten Auftritt. "Aber zuerst wollen wir natürlich tüchtig Fasnacht machen!" mahnt sie. - Wenn da nur die Sorge um eine adäquate Nachfolgerin nicht wäre...
(news.ch)