Benno Besson inszeniert Brechts «Kreidekreis» am Vidy

Benno Besson, der 79-jährige Waadtländer und langjährige Weggefährte Bertolt Brechts, bestätigt sich einmal mehr als kongenialer künstlerischer Nachlassverwalter des grossen B.B.: Mit Maskenspiel, Chorpassagen, Chansons und Karikaturen schafft er ein lebensdralles, komödiantisches Lehrstück.

Infragestellung des Patriarchats

Ideologisch hat Besson dabei seine lustvolle Pädagogik aufdatiert. Gezeigt werden soll weniger der Kampf gegen den Klassenfeind, als die weibliche Infragestellung des Patriarchats: Denn «heute hat sich der Klassenkampf in den Geschlechterkampf gewandelt», kommentiert Besson seine Brecht-Uminterpretation.

Damit wird die arme Groucha, welche das Baby der skrupellosen, oberflächlichen Gouverneursfrau vor den anrückenden Putschisten rettet, zu einer Art matriarchischen Mutter Courage, die den «Erben eines Patriarchen in ihrer Weise aufzieht.»

Die Geschichte des «Kreidekreis» ist bekannt: Die biologische Mutter kehrt nach Jahren zurück und reklamiert ihr Kind, das in einem salomonischen Urteil des sympathisch versoffenen Richters Azdak der Seelenmutter des kleine Erben, also der armen Groucha, zugeschlagen wird.

Kleinbürgerlichkeiten

Über das Gelingen der matriarchalischen Message kann man sich streiten. Gelungen ist in jedem Fall ein burleskes Bestiarium der Kleinbürgerlichkeiten: Besson zeigt - immer liebevoll überzeichnet- ein reiches Personal von geizigen Schwägerinnen, feigen Hofschranzen, korrupten Richtern, Erbschleichern und Arschkriechern.

Namentlich im zweiten Teil, der am Gerichtshof von Richter Azdak spielt, läuft Besson zu Hochform auf. Ein exzellentes rund 20- köpfiges Ensemble ist in Mehrfachrollen zu sehen. Und in der Paraderolle des verluderten Azdak glänzt Gilles Privat.

(la/sda)