CIA-Entführung: Das Tabu von Mailand

publiziert: Mittwoch, 7. Dez 2005 / 19:07 Uhr

Rom - Windige Aktionen, «Fischen im Trüben» gehören zum Repertoire von Geheimdiensten, doch die Entführung eines Ägypters durch CIA-Agenten in Italien im Februar 2003 erinnert an einen schlechten Film. Seitdem verliert sich die Spur des Imams von Mailand.

Der Fall des Deutschen Khaled el Masri war einer der ersten, die die Öffentlichkeit erreichten.
Der Fall des Deutschen Khaled el Masri war einer der ersten, die die Öffentlichkeit erreichten.
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Zwei Männer in Zivil zerren den Terrorverdächtigen laut Medienberichten am helllichten Tage in Mailand in einen Lieferwagen, bringen den 42-Jährigen zum NATO-Stützpunkt Aviano, von dort geht es per Flugzeug, angeblich mit Zwischenstopp im deutschen Ramstein, in ein Gefängnis in seiner ägyptischen Heimat.

Die Regierung in Washington hat die Vorwürfe zu keinem Zeitpunkt zurückgewiesen. Es scheint, als sei die Verschleppung des Deutschen Khaled el Masri kein Einzelfall. Gehören Entführungen noch immer zum Repertoire von Geheimdiensten - wie in schlechten Filmen?

Intervention Berlusconis

Das Eigenartige: Der Fall des Ägypters Abu Omar, der seinerzeit Imam einer Mailänder Moschee war und politisches Asyl in Italien genoss, hat die Gemüter in Rom schon vor Monaten erhitzt.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi, sonst ein treuer Freund der Amerikaner, bestellte den US-Botschafter ein und forderte «Respekt vor Italiens Souveränität».

Doch sonderlich beunruhigt schien die US-Regierung damals nicht, auch die internationalen Medien liess das Thema eher kalt - obwohl sogar die deutsche Justiz wegen der «Ramstein-Connection» im vergangenen Sommer Ermittlungen anstrengte.

Selbst als die Justiz in Mailand vor Wochen Haftbefehl gegen 22 CIA-Agenten ausstellte und deren Auslieferung forderte, stiess das Thema bei den europäischen Nachbarn auf taube Ohren. Fast schien es, als handle es sich um ein Tabuthema.

«Dialog unter Schwerhörigen»

«Dialog unter Schwerhörigen», kommentierte bereits im Sommer die Mailänder Zeitung «Corriere della Sera».

Die Männer vom CIA hätten sich bei ihrem trüben Geschäft nicht einmal Mühe gegeben, keine Spuren zu hinterlassen. «Fühlten sie sich ruhig und dachten, sie hätten »Deckung«?», fragte das Blatt provozierend.

Der Mailänder Staatsanwalt Armando Spataro nennt die CIA-Operation ein «schweres Verbrechen gegen die Menschenrechte». Ein weiterer Vorwurf: «Wäre Abu Omar nicht entführt worden, wäre er jetzt im (italienischen) Gefängnis, und wir hätten vermutlich seine Komplizen enttarnt.»

Italienische Terrorspezialisten hätten den Ägypter längst auf der Fahndungsliste gehabt und überwacht.

Neue Brisanz erhält der Mailänder Fall durch die Debatte um CIA-Machenschaften und die bekannt gewordene Entführung El Masris aus Mazedonien.

Die Zeitung «Washington Post» berichtete unter Verweis auf CIA-Quellen, die italienischen Geheimdienste seien damals vorab über die geplante Aktion in Mailand informiert worden. Angeblich habe Berlusconi sogar persönlich sein O.K. gegeben.

Entführung als Freundschaftsdienst

Zur Aufhellung der Aktion schreibt das Blatt, Abu Omar habe einer islamistischen Extremistengruppe in Ägypten angehört - und die CIA habe schliesslich traditionell enge Beziehungen zu den Kollegen in Kairo. Entführung als Freundschaftsdienst? Angeblich befindet sich der Verschleppte nach wie vor in Ägypten, angeblich lebt er dort unter Hausarrest.

Das berichten zumindest italienische und amerikanische Medien. Doch deren Quellen sind meist anonyme Geheimdienstquellen, nachprüfbar sind die Behauptungen nicht.

(Peer Meinert/dpa)

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