Vor der Abreise nach Moskau hätte der neue Schweizer Teamchef
Peter Carter ein Remis nach den ersten beiden Einzeln wohl ohne zu
zögern unterschrieben. Gestern Abend konnte der Australier mit dem
Zwischenergebnis aber nicht mehr ganz zufrieden sein, denn
Kratochvil hatte gegen Kafelnikow, die Nummer 4 der Weltrangliste,
lange Zeit alle Trümpfe in der Hand, um den zweiten Punkt
einzufahren. «Wir haben heute eine grosse Gelegenheit verpasst.
Wenn wir aber berücksichtigen, was für Spieler die Russen im Team
haben, ist unser Abschneiden sicherlich nicht schlecht.» Er könne
Kratochvil jedenfalls keinen Vorwurf machen. «Er wird aus dieser
Niederlage lernen.»
Der Ostermundiger führte 2:1 in den Sätzen, lag im vierten
Abschnitt zweimal mit Breakvorsprung voran und konnte beim Stande
von 6:5 zum Matchgewinn aufschlagen. Dass ihm die Nerven in jenem
Moment einen Streich gespielt haben sollen, stellte Kratochvil in
Abrede. «Ich habe mir sicher nicht 'in die Hosen gemacht'. Vielmehr
hatte ich mich auf jenes Game gefreut.»
Wie beim US Open
Am Ende stand Kratochvil, der im Rahmen des Davis Cups erst sein
drittes Einzel bestritt und erstmals im Ausland antrat, wie schon
beim letzten US Open mit leeren Händen da. Schon bei der Fünfsatz-
Niederlage in Flushing Meadows hatte er gegen Kafelnikow zwei der
ersten drei Sätze für sich entschieden. An jene Begegnung habe er
diesmal nicht gedacht, sagte Kratochvil. «Natürlich bin ich
enttäuscht, aber ich nehme das Positive mit aus dieser Niederlage.
Ich habe gesehen, dass ich von den besten Spielern nicht mehr weit
entfernt bin. Ich muss mir sicherlich nichts vorwerfen, denn ich
habe mein Bestes gegeben.» Mental und körperlich sei er für die
Partie vom Sonntag gegen Safin auf jeden Fall bereit. «Ich habe
jetzt einen Tag Pause. Ich weiss, dass ich die Chance habe, um ihn
zu packen.»
Trotz der ärgerlichen Duplizität der Ereignisse bei Kratochvil -
Kafelnikow hat sich das Schweizer Team alle Optionen offen
gehalten, um wie im Vorjahr und zum vierten Mal insgesamt seit der
Final-Niederlage von 1992 gegen die USA die Viertelfinals zu
erreichen. Weg weisend wird einmal mehr das Doppel sein, in dem
heute Samstagnachmittag Federer und Rosset bei ihrem ersten
gemeinsamen Auftritt im Davis Cup aller Voraussicht auf
Kafelnikow/Safin treffen werden. Änderungen in der Aufstellung sind
allerdings bis eine Stunde vor Spielbeginn noch möglich.
Federer brauchte nur 95 Minuten
Federer hatte mit dem 7:5, 6:1, 6:2 gegen Safin in lediglich 95
Minuten vom Platz gefegt und für einen idealen Schweizer Auftakt
gesorgt. «So einfach hatte ich mir das Match natürlich nicht
vorgestellt», meinte die Schweizer Nummer 1. Dem gewonnenen
Startabschnitt mass Federer verständlicherweise vorentscheidende
Bedeutung zu, zumal Safin zu den ausgesprochenen Stimmungsspielern
zählt.
Dass der Russe nicht mehr ins Spiel zurückfand, dafür sorgte
Federer gleich zu Beginn der Sätze 2 und 3, in denen er dem Russen
jeweils das erste Servicegame abnahm. Ihm habe zu Beginn das Timing
gefehlt, zudem sei er auf dem Sand schlecht zum Ball gerutscht,
analysierte Federer. In den heikelsten Momenten des ersten Satzes
agierte er indes ruhig und abgeklärt: Zweimal machte er bei eigenem
Service ein 0:30 wett, beim Stand von 1:2 wehrte er einen Breakball
Safins ab. Es sollte während der gesamten Begegnung die einzige
Chance des Weltranglisten-Siebten zu einem Servicedurchbruch
bleiben...
Federer hat damit auch die zweite Begegnung mit Safin für sich
entschieden. Erstmals hatte er den 22-Jährigen im vergangenen Mai
in Rom ebenfalls auf Sand bezwungen. Jene Partie war allerdings
wesentlich umkämpfter gewesen; Federer siegte damals im Tiebreak
des dritten Satzes. Demgegenüber hat sich für Safin vorerst nicht
ausbezahlt, dass er nach seiner Final-Niederlage im Australian Open
kein Turnier mehr bestritten und sich während rund anderthalb
Wochen auf den Davis Cup vorbereitet hat.
Sandplatz -- Kafelnikows Entscheid
Ebenso wenig Wirkung zeigte der überraschende Entscheid, im
Olympia-Stadion einen Sandplatz anzulegen. Für Letzteres will Safin
indes nicht verantwortlich sein. «Die Wahl des Belags hat einzig
und allein Jewgeni (Kafelnikow, Red.) getroffen», sagte der US-Open-
Champion, der im Davis Cup seine Baisse fortsetzte; mittlerweile
hat er fünf Einzel-Partien hintereinander verloren.
(kil/sda)