Den Handlungsspielraum in Cancun nutzen
Wir stehen kurz vor Cancun. Die Erwartungen an die Weltklimakonferenz in Mexico sind nicht sehr gross. Vor einem Jahr war die Situation ganz anders.
Schweiz unterstützt 2-Grad-Ziel
Die Schweiz setzt sich in Cancun für eine Begrenzung der Klimaerwärmung von 2 Grad ein, dies hat der Bundesrat letzte Woche bestätigt. Dieses 2°C-Ziel lässt sich erreichen, wenn der weltweite Treibhausgasausstoss bis 2050 um 50 Prozent im Vergleich zu 1990 vermindert wird. Dazu strebt die Schweiz ein umfassendes neues Klimaregime an, welches Verpflichtungen für alle Industrieländer und die wichtigsten Schwellenländer vorsieht. Der Treibhausgasausstoss muss gesenkt werden und dazu sollen sich nun auch die Schwellenländer rechtlich verbindlich verpflichten.
Neben den Anstrengungen zur Reduktion des CO₂ wird vor allem intensiv über mehr Hilfe für Anpassungsmassnahmen verhandelt. Extreme Niederschläge, Überschwemmungen, Rutschungen, glühende Hitze und extreme Trockenheit werden grosse Gebiete der Erde betreffen. Es ist somit mit hohen Folgekosten zu rechnen. Daran sollen sich Industrie-, aber auch Schwellenländern beteiligen. Und damit verlagert sich die Diskussion immer mehr von den Reduktionsmassnahmen in den Industrieländern weg in den Bereich der Hilfe an die Dritte Welt. Der Klimagipfel wird zum Weltwirtschaftsgipfel. Die vielen armen Länder der Erde nutzen ihre Chance.
Entsprechend dem Copenhagen Accord ist die Schweiz bereit, die finanzielle Unterstützung an Entwicklungsländer für Massnahmen zur Verminderung des Treibhausgasausstosses und zur Anpassung an den Klimawandel massgeblich zu erhöhen. Diese Gelder werden wir im Parlament im Rahmen der Entwicklungshilfebeiträge demnächst zu sprechen haben. Längerfristig unterstützt die Schweiz das Ziel, die finanzielle Unterstützung seitens der Industrieländer bis 2020 im gesamten auf 100 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Die Schweiz macht in Cancún ihren Anteil an diese zusätzlichen Mittel und die Schaffung eines Fonds namentlich abhängig von den Verpflichtungen der Schwellenländer, so lautet das Verhandlungsmandat.
Doch die Schweiz hat vor allem ein Problem mit ihren eigenen laufenden Kyoto-Verpflichtungen und damit mit ihrer eigenen Glaubwürdigkeit. Letzte Woche, am 19. November, hat das BAFU Bilanz gezogen. Und die sieht gar nicht rosig aus. Wir haben uns im Kyoto-Protokoll verpflichtet, unseren Treibhausgasausstoss in der Periode 2008 bis 2012 um 8 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 zu vermindern. Die neuesten Emissionsperspektiven des BAFU zeigen aber, dass mit einem höheren Ausstoss zu rechnen ist als bisher angenommen wurde. Tritt dieses Szenario tatsächlich ein, so dürfte die Schweiz Mühe haben, das Kyoto-Ziel zu erreichen. Im CO₂-Gesetz ist für die Treibstoffe ein Reduktionsziel von 8 Prozent und für die Brennstoffe ein solches von 15 Prozent gegenüber 1990 festgelegt. Die Emissionen aus dem Verbrauch von Treibstoffen liegen heute sogar knapp 13 Prozent höher (!) als 1990. Die gemeinsam vereinbarten Verpflichtungen haben die Automobilverbände bei weitem nicht erreicht. Eine traurige Bilanz! Im Brennstoffbereich sieht es – dank Gebäudesanierungsprogramm und CO₂-Abgabe – besser aus. Die festgelegten 15 Prozent Reduktion gegenüber 1990 können wahrscheinlich erzielt werden.
Dies sind neue schlechte Nachrichten für die Schweizer Klimapolitik, auch wenn wir in Europa nicht die einzigen sind, die mit ihren Verpflichtungen Mühe haben. Doch die eigenen Probleme stärken unsere Verhandlungsposition nicht. Ich begrüsse es aber, dass der Bundesrat in Cancun den vorgegebenen Weg weiterschreitet und den Handlungsspielraum am Klimagipfel ausnützt. Viel Erfolg!
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