Der Pferdesport kämpft um Ehrlichkeit

publiziert: Dienstag, 12. Okt 2004 / 17:00 Uhr / aktualisiert: Dienstag, 12. Okt 2004 / 22:40 Uhr

Die Dopingfälle um den irischen Einzel-Olympiasieger Cian O´Connor sowie die Deutschen Ludger Beerbaum und Bettina Hoy werfen nach den Olympischen Spielen in Athen Schatten auf den Reitsport. Angeprangert werden die Veterinäre. Die wehren sich, mit Erfolg. Als besonders interessant erweist sich der Fall Beerbaum.

CSI Ascona 2004 (Archiv)
CSI Ascona 2004 (Archiv)
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Der erste markante Dopingfall hatte 1987 an den Europameisterschaften in Goodwood (Eng) Christine Stückelberger betroffen, die Dressur-Olympiasiegerin 1976. Der Reiterin aus Kirchberg SG wurde die EM-Bronzemedaille aberkannt, nachdem aus dem Urin ihres Hengstes Gauguin de Lully das anregende Mittel Theopromin - nachweislich enthalten im Zusatzfutter - herausgefiltert worden war.

Die große Dame des Dressursports verlor die Platzierung an den Deutschen Johann Hinnemann. Dieser geriet genau ein Jahr danach seinerseits in die Falle der Kontrolleure. Sein Pferd Ideaal wurde beim CHIO in Aachen aufgrund eines Hustenmittels geschnappt, der holländische Wallach hatte an einem chronischen Kehlkopfpfeifen gelitten. Hinnemann wurde danach nicht für die Olympischen Spiele in Seoul nominiert.

Jetzt steht unter anderen der deutsche Vorzeige-Springreiter Ludger Beerbaum am Pranger. Der Hengst Goldfever des achtmaligen deutschen Meisters wurde in Athen positiv auf Betamethasone getestet. Cortison in einer Salbe, die dem Fuchs wegen einer Scheuerstelle in der Fesselbeuge aufgetragen wurde, so lautet jedenfalls Beerbaums Version.

Da Cortison zu den nicht erlaubten Mitteln zählt, hat Beerbaum mit Sanktionen zu rechnen. Den Deutschen wird, sollte die B-Probe das gleiche Resultat erbringen, die Goldmedaille im Teamspringen aberkannt werden.

Schuld soll der Team-Veterinär haben

Goldfever war in Athen nicht clean, doch Beerbaum suchte die Schuld nicht bei sich, als Schuldiger wurde Mannschafts-Tierarzt Dr. Björn Nolting (43) ausgemacht. Und der wurde wütend. So hatte der deutsche Verband in Warendorf ihn über die Ende letzter Woche herausgegebene Meldung nicht informiert, obwohl er darin an den Pranger gestellt wurde.

Die Nachricht mit Zitaten musste er sich aus dem Internet holen. In der Meldung des Verbands wurde Beerbaum so zitiert: "Da ich wusste, dass unser Tierarzt diese Behandlung zugelassen hat, war ich unbesorgt. Wie ich erst jetzt erfahren habe, enthielt die Salbe die besagte Substanz."

Beerbaums einleuchtende, nach einem reinen Versehen klingende Darstellung hielt einer näheren Prüfung nicht stand. Björn Nolting konterte nämlich: "Ich kenne die Salbe gar nicht. Alle Mannschaftsmitglieder waren lange vor Beginn der Olympischen Spiele darauf hingewiesen worden, alle notwendigen Mittel zur Versorgung der Pferde zu melden, um jedes Risiko zu vermeiden. Die verwendete Salbe, so weiss ich inzwischen, stammt aus der Humanmedizin und ist in der Tiermedizin gar nicht gebräuchlich."

Beerbaum wiederholte noch im Sportstudio des ZDF am letzten Samstag, Nolting habe von der Salbe gewusst. Der renommierte Veterinär einer Klinik in der Nähe von Köln ging dann in die Offensive. Er verlangte vom deutschen Verband eine Gegendarstellung, "dass ich keine Kenntnis hatte von der Salbe, mit der Goldfever behandelt wurde".

Er verlangte auch eine Aussprache mit Beerbaum sowie unter anderen mit dem deutschen Bundestrainer Kurt Gravemeier und Reinhardt Wendt als Vorsitzendem des Olympiakomitees für Reiterei (DOKR).

Die Unterredung hat mittlerweile stattgefunden, und der Mannschafts-Tierarzt sieht sich rehabilitiert: Nolting hatte nach neuer offizieller Darstellung des Verbandes keine Kenntnis von der Behandlung mit der verbotenen Salbe. "Mit der jetzigen Erklärung kann ich leben", sagte Nolting.

Gleichzeitig gerät Ludger Beerbaum um so mehr ins Zwielicht. Der Schwarze Peter soll nun bei Rüdiger Brems, Beerbaums Haustierarzt, liegen. Dieser habe den Gebrauch der Salbe abgesegnet.

Salbe oder Spritze?

Pointiert zu Wort gemeldet hatte sich Dr. Peter Cronau (62), früheres Präsidiumsmitglied des Reitsport-Weltverbandes FEI. Im Falle Ludger Beerbaum würden die Tatsachen verkannt, meint er. Es sei doch unmöglich, einen nachweisbaren Cortison-Spiegel im Pferdekörper aufzubauen, der durch Salbeneinwirkung verursacht werde. Beerbaum hatte behauptet: Wenn man die Salbenbehandlung der Veterinärkommisson des Weltverbandes gemeldet hätte, "wäre diese zugelassen worden". Dem widersprach Cronau: "Bei Betamethasone handelt es sich um eine verbotene Substanz. Nach meiner Meinung wäre eine Erlaubnis zur topischen Anwendung des Medikaments seitens der FEI nicht erlaubt worden."

Cronau schob ein wichtiges Faktum nach: "Es kann in der Doping-Analyse nicht unterschieden werden, ob die Substanz als Salbe oder als Injektion verabreicht wurde." Ihn erinnere die ganze Angelegenheit an die wundersame Zahnpasta-Story des früheren 5000-m-Olympiasiegers Dieter Baumann. Weiter sagte Cronau, der sich auch vor den Berner Tierarzt Dr. Hans Stihl in der Doping-Affaire um Dressur-Europameisterin Ulla Salzgeber (De) im letzten Jahr stellte, der Verband versuche Björn Nolting zu opfern, weil er weniger wichtig sei als "das Leitbild Ludger Beerbaum". Die Realität: "Der Haustierarzt und die Pflegerin therapieren -- und der Team-Veterinär muss den Kopf hinhalten."

(kst/sda)

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