Der Schweinezyklus schlägt wieder zu

publiziert: Sonntag, 19. Aug 2007 / 14:28 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 23. Aug 2007 / 12:27 Uhr

Lange war man der Meinung, dass die Naturwissenschaftler die besten Arbeitsmarktchancen haben, wohingegen die Soziologen und Psychologen verzweifelt um Stellenangebote kämpfen. Dass dem nicht so ist, verrät der Bildungssoziologe Prof. Dr. Rolf Becker vom Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Bern. Er erklärt, warum die Ingenieursberufe mitten im Schweinezyklus stecken.

Die Arbeitsmarktchancen für die verschiedenen Studiendisziplinen befinden sich ständig im Wandel. Mal sind die Jobaussichten gut, ein andermal wieder trübe. «Im Moment profitieren beispielsweise die Mediziner von der Arbeitsmarktlage», sagt Prof. Dr. Becker. «Die Nachfrage nach qualifizierten Studienabgängern ist hoch. Auch die Informatik boomt. Absolventen und Absolventinnen in Archäologie oder Sprach- und Literaturwissenschaften haben es hingegen nicht einfach, eine Arbeitsstelle zu finden.»

Wer will mich?

Die Aussichten auf ein Jobangebot hängen von der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung und natürlich der Nachfrage nach Akademikern ab. Weiter sorgen die Expansion oder Kontraktion verschiedener Wirtschaftszweige dafür, dass sich die Arbeitmarktlage fortlaufend verändert. Und nicht zuletzt entscheiden die Maturandinnen und Maturanden mit ihrer Studienwahl darüber, ob in einem Studienbereich ein Überangebot oder ein Defizit herrschen wird.

«Sozialwissenschaftler werden vom Arbeitsmarkt absorbiert»

Im Volksmund herrschte lange Zeit die Meinung, dass es der Schweiz an Naturwissenschaftlern fehle. Infolge strömten die Maturandinnen und Maturanden massenhaft in diese Fächer. «Dass die Naturwissenschaftler im Vergleich zu den Soziologen oder Psychologen sehr gute Arbeitsmarkchancen haben, ist ein Mythos», erklärt der Bildungssoziologe. «Gegenwärtig herrscht ein Überangebot an qualifizierten Naturwissenschaftlern, wobei es zwischen den einzelnen Disziplinen wie Biologie, Physik etc. natürlich Unterschiede in Bezug auf die Jobangebote gibt. Im Gegenzug werden die meisten Sozialwissenschaftler vom Arbeitsmarkt absorbiert. Die Arbeitslosenquote ist bei den Naturwissenschaftlern doppelt so hoch wie bei den Absolventen der Sozialwissenschaften.» Ein überraschender Befund. Hatte man doch intuitiv gemeint, es verhielte sich genau umgekehrt.

Ingenieure stark begehrt

Andere Studienrichtungen erfahren zurzeit das gegenteilige Phänomen. Die Studienabgänger der Ingenieurswissenschaften treffen die besten Arbeitsmarktchancen an. Die Arbeitgeber reissen sich um qualifizierte Abgänger und Abgängerinnen. «Bei den Ingenieursberufen ist der Schweinezyklus am sichtbarsten. Im Moment wäre man sehr gut beraten, ein Ingenieursstudium aufzunehmen. Die Arbeitsmarktchancen sind absolut garantiert. Auch die Chancen auf ein hohes Einkommen stehen in diesem Bereich exorbitant gut.» Doch was ist der Schweinezyklus überhaupt?

Was haben Schwein und Studi gemeinsam?

Der Begriff «Schweinezyklus» stammt ursprünglich aus der Volkswirtschaftslehre und kennzeichnet die Angebotsschwankungen von Schweinefleisch. Im übertragenden Sinne ist der Ausdruck aber auch auf die Arbeitsmarktlage gewisser Berufe anwendbar. Der Schweinezyklus tritt dann auf, wenn die Jobchancen in einem Berufsfeld so gut sind, dass eine gesteigerte Zahl von Studierenden verzeichnet werden kann. Diese drängen dann aber alle gleichzeitig auf den Arbeitsmarkt und stehen untereinander stark im Wettbewerb, sodass sich die Arbeitsmarktchancen insgesamt verschlechtern. Infolge nehmen der Boom des Faches und der Ausstoss an Studienabgängern ab, was langfristig aber wieder zu einem Defizit an Berufsanfängern führt.

Geburtenrückgang führt zu mehr Jobs

Zurzeit bekommen also die Naturwissenschaftler die negativen Auswirkungen des Schweinezyklus zu spüren. Dennoch verliert das Studium im allgemeinen nicht an Wert. Die demographische Wandlung in der Schweiz läuft nämlich darauf hinaus, dass die Geburtenjahrgänge immer kleiner werden. Dementsprechend nimmt der Ausstoss an qualifizierten Studienabgängern im Tertiärbereich ab. «In spätestens zehn Jahren wird sich ein Defizit an qualifizierten Berufsanfängern einstellen. Die Arbeitgeber werden dann in stärkerem Masse um die qualifizierten Berufsanfänger buhlen müssen.»

Hochschulabsolventen haben insgesamt bessere Chancen

Ein Studium lohnt sich also, gleichgültig, wie die Arbeitsmarktchancen für den spezifischen Bereich gegenwärtig aussehen. Dies gilt auch aus der Perspektive der Arbeitslosigkeit. Denn: ein Hochschulstudium ist der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit. Personen mit tertiärem Bildungsabschluss machen nur einen geringen Prozentsatz der gesamten Arbeitslosenquote von etwa 2.5 Prozent aus. Es sind meist diejenigen Personen ohne Berufsausbildung oder mit niedrigem Bildungsabschluss, welche arbeitslos werden. Dass ein Studium die Jobchancen allgemein vergrössert, meint auch Herr Dr. Becker: «Unabhängig von der Entwicklung der Arbeitsmarklage oder der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung haben die Akademiker verglichen mit anderen Berufsgruppen immer noch die besten Arbeitsmarktchancen.»

(von Barbara Ritter)

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